Von Angelika Hoyer
Der Abrissantrag für die ersten Blöcke liegt seit zwei Wochen im Landratsamt. Wenn im September der Aufsichtsrat der städtischen Verwaltungsgesellschaft „Bauen und Wohnen“ dem Vorhaben zustimmt, rollen schon im Oktober die Abrissbagger an. „Die Mieter wissen Bescheid und können unter Umständen in jene Blöcke wechseln, die wir noch sanieren könnten“, sagt Peter Engler.
Er ist Geschäftsführer der „Bauen und Wohnen“ und damit zuständig für die einstige Weberei-Spinnereiarbeitersiedlung. Diese gehört zu den Problemgebieten der Stadt. Der Leerstand ist mittlerweile riesig, der Sanierungsbedarf auch. „Und manche Häuser sind auch vom Bauzustand her schon sehr bedenklich“, begründet Peter Engler die Abrisspläne. Vorgetragen hat sie der Geschäftsführer auf der jüngsten Sitzung auch dem Stadtrat.
Über 100 Wohnungen gibt es in den aus Klinkern errichteten Häusern am Mühlgraben unmittelbar hinter den Neißewiesen. Nur 25 davon sind derzeit noch bewohnt. 1896 von der Jute-Fabrik als Wohnkolonie für bömische Wanderarbeiter errichtet, holten später Arbeiter ihre Familien nach und richteten sich auf Dauer ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden Flüchtlinge in den einstigen Werkswohnungen Quartier. Am Wohnstandard der Jahrhundertwende hat sich aber auch in den nachfolgenden Jahrzehnten nur wenig geändert. Noch immer gibt es in der Siedlung, die in DDR-Zeiten den Namen „Friedensblick“ erhielt, Toiletten über den Hof. Duschen oder gar Bäder sind die Ausnahme, es existiert kein Abwasseranschluss in den Häusern.
Waren 1992 noch 105 Wohnungen vermietet, zogen in den Nachwendejahren immer mehr Menschen fort. Schließlich hätte die Stadt die Häuser sogar an Ostritzer verschenkt, aber niemand wollte sie. Schon vor zwei Jahren kam ein vom Bauamt der Stadt beauftragtes Architekturbüro zu der Einschätzung, dass eine Sanierung viel zu teuer und angesichts der Bevölkerungsentwicklung und der Lage auf dem Wohnungsmarkt auch gar nicht erforderlich sei.
Nun will die „Bauen und Wohnen“ einige der Klinkerhäuser am Blumberger Weg stehen lassen. Für jene Mieter, die aus der Siedlung nicht weg möchten. Der Abriss der anderen Blöcke soll zeitlich versetzt erfolgen. Begonnen wird mit den schon völlig leer stehenden Gebäuden. Die freie Fläche begrünt man später. Mit den Häusern am Friedensblick verschwindet ein Rest Industriegeschichte in Ostritz.