Von Bernd Goldammer
Herr Prof. Ortleb, wie haben Sie als Dresdner, die Gegend zwischen Hutberg und Schwedenstein für sich entdeckt?
Als jugendlicher Radsportler Ende der fünfziger Jahre. Hier war mein Trainingsgebiet und manchmal fanden dort auch Radrennen statt. Das legendäre Rad-Rennen in Gersdorf ist mir zum Beispiel in Erinnerung geblieben, weil damals sehr viele Zuschauer die Rennstrecke säumten. Das hat Spaß gemacht!
Wer war damals ein Idol?
Mein Idol war Täve Schur. Sportlich wollte ich ihm nacheifern. Allerdings sind wir uns erst auf politischer Ebene begegnet, als sich die DDR in den letzten Zügen befand. Er saß für die damalige PDS in der Volkskammer und ich war für die Liberalen dort. Obwohl unsere politischen Auffassungen auseinander gingen, der Sportsgeist war uns geblieben. So hab ich ihn um ein nachträgliches Autogramm gebeten. Ich erhielt es nicht sofort. Täve hat mich nach meiner aktiven Zeit gefragt. Und zu Hause hat er die Original-Autogrammkarte aus dieser Zeit heraus gekramt. Ich bekam das Autogramm zwar später, aber die Geste hatte eine gewisse Symbolik. Auch wenn man politisch anders tickt, kann man sich achtungsvoll behandeln. Das gehört zu meinen Wende-Erinnerungen.
Die Ereignisse von 1989 geraten wieder in den Blickpunkt. Als maßgeblicher Mitgestalter der Wende stellen Sie in diesen Tagen aber eher Zukunftsfragen, wie Sonnabendabend im Kamenzer Klub. „Haben wir eine Demokratie?“ wählten Sie dort als Thema.
Ich werbe mit meinem Vortrag dafür, dass Bürger Politik mitgestalten. Das Wesen einer Demokratie muss alltäglich wahrgenommen werden können.
Geht das so einfach?
Das haben die Lessingstädter im vergangenen Jahr bewiesen. Sie haben ihren Spielraum genutzt, zusammengefunden und einen demokratischen Bürgerentscheid herbeigeführt. Diese Erfahrung steht ihrer Stadt gut zu Gesicht, denn eine Demokratie muss sich aus sich selbst heraus erneuern. Den DDR- Oberen konnte man mit im Jahre 1989 mit Wahlverweigerung wehtun. Heute verletzt man sich selbst, wenn man auf das Recht sich aufzustellen verzichtet. Wer nicht zur Wahl geht, verfestigt genau das, worüber er sich ärgert. Wenn sich in Kamenz fast 80 Bürger zur Wahl stellen, dann ist das ein Zeichen für lebendige Demokratie.
Gespräch: B. Goldammer