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Der Frust nach dem Job-Versprechen

Der Flugzeugausstatter in Rothenburg bietet Lehrgänge, die Arbeitsagentur zahlt – aber die Rechnung geht nicht auf.

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Von Katja Schlenker

Hat der Rothenburger Flugzeugausstatter Global Aviation Services jahrelang Arbeitssuchende ausgenutzt? So lautet der Vorwurf, den einige ehemalige Beschäftigte* der Firma äußern. Seit Dezember 2010 finden in Rothenburg Grund- und Anwenderkurse in Leichtbaustrukturen der Innenausrüstung für die Luftfahrt und Industrie statt. Um Teilnehmer für den dreimonatigen Lehrgang zu bekommen, hat Geschäftsführer Zeydan Öncü eng mit dem Jobcenter zusammen gearbeitet. Jetzt ist dessen Firma insolvent, aber die Lehrgänge gehen vorerst weiter, wie Insolvenzverwalter Henning Schorisch mitteilt.

Pikant daran ist, dass die Lehrgangsteilnehmer sich beim Jobcenter in Niesky für eine Vollzeitstelle als Produktionsarbeiter/Helfer Metallbearbeitung beworben haben. Sobald sie dies getan hatten, kam der Lehrgang ins Spiel – als Voraussetzung für den Job. Die Arbeitssuchenden bekommen eine Absichtserklärung von Zeydan Öncü überreicht, in der steht, dass er die Teilnehmer nach dem Lehrgang übernehmen wird – sofern sie die Ausbildung erfolgreich absolvieren. Die Dokumente liegen der Sächsischen Zeitung vor.

Jedoch warten viele Teilnehmer bis heute auf den versprochenen Arbeitsvertrag. „Global Aviation Services hat die Teilnehmer nicht vernünftig geschult, sondern immer nur auf Sparflamme gekocht und deren vorhandene Fähigkeiten für sich ausgenutzt“, sagt ein ehemaliger Lehrgangsteilnehmer. Er arbeitet seit Langem in der Luftfahrtindustrie, lebt mittlerweile in Norddeutschland und hat einen neuen Job gefunden. Doch 2011 ist er eine Zeit lang arbeitslos gewesen und hat an dem Lehrgang bei Global Aviation Services teilgenommen.

Die Lehrgänge haben auf dem Betriebsgelände am Rothenburger Flugplatz stattgefunden. Hier sind in einer alten Halle Teile für die Kabinen der Maschinen produziert worden, luftfahrtspezifische Geräte habe es nicht gegeben. Während der praktischen Ausbildung haben die Teilnehmer zum Beispiel in der Lackierkabine den Estrichboden aufgebracht. „Es gibt kein Luftfahrzeug, in dem beton- oder betonähnliche Materialien verarbeitet sind“, sagt der Teilnehmer. Außerdem habe der Ausbilder eine Airbus-Maschine mit einer Boeing verwechselt. „Auf einem Bild sollten wir einen Airbus A 320 mit kollabiertem Bugfahrwerk sehen“, erklärt der Teilnehmer. „Stattdessen handelte es sich um eine Boeing 737, was an den Cockpitfenstern zu erkennen ist und der Lehrgangsleiter auch hätte sehen müssen.“ Eine Heizung gibt es in den Hallen ebenfalls nicht. Jeder Arbeiter habe einen Heizstrahler an seinen Platz bekommen, erzählt ein anderer Lehrgangsteilnehmer, der von Dezember 2012 bis Februar 2013 bei Zeydan Öncü gelernt hat.

Diese Vorwürfe stimmen nicht, wehrt sich Zeydan Öncü. In dem Lehrgang soll generelles Wissen über Flugzeuge, hauptsächlich Kabinen, vermittelt und das technische Wissen der Teilnehmer überprüft werden. Daher wird vorausgesetzt, dass sie einen technischen Beruf erlernt haben. Dass keiner der Lehrgangsteilnehmer übernommen worden ist, stimme ebenfalls nicht, sagt Zeydan Öncü. Im Dezember hätten zehn Teilnehmer an der Schulung teilgenommen und zwei davon nach einer Woche abgebrochen. Von den übrig gebliebenen acht Teilnehmern sei sechs der Vertrag angeboten worden. Fünf hätten angenommen, einer habe abgelehnt. „Obwohl wir uns in einem vorläufigen Insolvenzverfahren befinden, haben wir fünf Mitarbeiter eingestellt“, erklärt Zeydan Öncü Ende März. „Wir haben jetzt 35 feste Mitarbeiter.“ Wie kurze Zeit später bekannt wird, sind die zum 30. April gekündigt, weil die Insolvenz nicht mehr abzuwenden ist.

Aufgrund dieser Entwicklung sind die Teilnehmer froh, dass es nicht mit dem Job bei Global Aviation Services geklappt hat. „Man freut sich ja, Arbeit zu haben“, sagt einer der Teilnehmer. „Aber nicht so.“ Jedoch ist der Mann aus dem Landkreis Görlitz irritiert, dass das Jobcenter die Maßnahme weiter gefördert hat, obwohl es wusste, was dort abläuft, da sich nicht nur er, sondern auch andere Teilnehmer über ihren Lehrgang beschwert haben.

Die Agentur für Arbeit kontrolliere stetig die Firma, sei am 27. Februar in Rothenburg gewesen, berichtet Zeydan Öncü. Das bestätigt Bernd Küpper, Teamleiter Arbeitsvermittlung bei der Bundesagentur für Arbeit und zuständig für Niesky und Weißwasser. In der Vergangenheit habe es immer wieder Kritik an Global Aviation Services gegeben, räumt er ein. Den Hinweisen ist nachgegangen worden. „Mittlerweile sind merkliche Veränderungen eingetreten“, sagt Bernd Küpper. Konkrete Beispiele, was es zu kritisieren gab, möchte er nicht nennen.

Der Zentrale Prüfdienst in Nürnberg habe Global Aviation Services mehrfach beurteilt. Zudem sei es ein zertifiziertes Unternehmen, sonst würden die Agentur für Arbeit und das Jobcenter nicht mit der Firma zusammen arbeiten. Mit der Zertifizierung werden Inhalte und Kosten des Lehrgangs geprüft. Die Kosten für den Lehrgang seien reduziert worden, sagt Roland Richter, Bereichsleiter für Eingliederung beim Jobcenter. Sind am Anfang knapp 9 000 Euro pro Teilnehmer investiert worden, sind es nach den ersten Lehrgängen rund 5 500 Euro. Bei zirka 15 Teilnehmern pro Lehrgang kommen 82 500 Euro zusammen. An diesem Preis für den dreimonatigen Lehrgang gebe es nichts auszusetzen, sagt Bernd Küpper. Der Vergleich mit der Berliner Firma Trainico, einem Ausbildungsbetrieb für Berufe in der Luftfahrt, zeigt, dass dort ein ähnlicher Lehrgang zirka 12 500 Euro pro Teilnehmer kostet – wobei die Lehrgangsdauer neun Monate beträgt.

Das Jobcenter wiegelt ab. „Wir sind dafür zuständig, unseren Kunden den Bildungsgutschein zu geben“, sagt Roland Richter. Damit wird den Arbeitssuchenden zugesichert, dass die Agentur für Arbeit beziehungsweise das Jobcenter alle Kosten für den Lehrgang und die Fahrt dorthin übernimmt. Der Bildungsgutschein könne, müsse aber nicht eingelöst werden, betont Richter. Doch so einfach, wie das klingt, ist es dann wohl nicht. Denn auf der Rückseite des Stellenangebotes, das die Arbeitssuchenden erhalten, ist zu lesen, dass sie drei Monate lang auf ein Drittel ihres Arbeitslosengeldes II verzichten müssen, wenn sie sich nicht bewerben. * Namen der Redaktion bekannt