Von Thomas Feig
„Das Bedeutendste ist, dass sie heute hier sind.“ Henrik Weiland richtet seine Worte nicht an die versammelte Presse, sondern an den Mann im Rollstuhl. Woldemar Winkler wird im Juni 101 Jahre alt. Das hielt ihn nicht davon ab, von Gütersloh nach Dresden zu reisen. Gestern schenkte der Künstler seiner Heimatstadt Dresden den umfangreichen Nachlass der Mal- und Zeichenakademie Simonson-Castelli.
Winkler war ihr letzter Direktor und Inhaber: Von 1929 bis 1943. Gegründet wurde die private Kunstschule um 1870 von dem Dresdner Juden David Simonson (1831-1896). Dessen Sohn, Hofrat Ernst Oskar Simonson-Castelli (1864-1929), leitete die Akademie nach dem Tod seines Vaters. 1928 berief er den jungen Maler Woldemar Winkler als Lehrer, ein Jahr später übernimmt dieser die Leitung der Schule in der damaligen Ostbahnstraße hinter dem heutigen Hauptbahnhof.
1941 muss Winkler in den Krieg. Die Akademiegeschicke legte er in die Hände eines Mitarbeiters. Dieser lagerte 1944 einen Großteil der Unterlagen und viele Werke in Winklers Geburtshaus nach Zschieren aus. Dort entging dieser Nachlass der Zerstörung. Vollständig vernichtet wurden hingegen am 13. Februar 1945 Winklers Wohnung, das Atelier, der Studienraum, die Bibliothek, sämtliche Werke. Die Heimatstadt, künstlerische Basis und Inspirationsquelle, existierte nicht mehr. Zwei Jahre nach Kriegsende zieht Winkler nach Gütersloh. Dresden bleibt er dennoch tief verbunden. Regelmäßig besucht er seine Schwester, die im Zschierener Elternhaus lebt.
Schülerlisten, Bilder, Briefe und MalutensilienAls dieses Haus im Jahr 2000 verkauft werden soll, muss auch der Dachboden ausgeräumt werden. Woldemar Winklers Sohn Christoph erzählt: „Wir wussten, dass da oben etwas war. Etwas Geheimnisvolles. Aber niemand ahnte, was.“ Im Auftrag der Familie wühlte sich der freischaffende Galerist Henrik Weiland durch den jahrzehntealten Staub. Zutage kamen Schülerlisten, Bilder und Grafiken, Akten, Briefe. Fotos, Malerutensilien und Ausstellungsplakate erzählen vom regen künstlerischen Leben der Schule. Weiland hat den Fundus gesichtet und geordnet. „Die wissenschaftliche Aufarbeitung steht noch aus.“ In Teilen soll der Nachlass dann ab 2004 im Stadtmuseum ausgestellt werden. Woldemar Winkler wird es sich nicht nehmen lassen, wenn irgend möglich dabei zu sein.