Von Peter Redlich
Radebeul. Das gab es im Karl-May-Museum noch nicht. Ein höchst wertvolles Ausstellungsstück kommt aus dem Westen zurück nach Radebeul. Bislang musste die Karl-May-Stiftung mit dem hiesigen Museum immer immense Summen aufwenden, um zurückzukaufen, was die DDR-Kulturführung einst gegen Devisen verhökert hatte. Jetzt haben sich Museumschefin Claudia Kaulfuß und der für die indianische Sammlung zuständige Wissenschaftler Robin Leipold etwas ganz Besonderes aus dem Völkerkundemuseum Mannheim zurückgeholt – ohne dafür zu zahlen.
Es ist der Festanzug des berühmten Lakota-Häuptlings Red Cloud (Rote Wolke, 1822-1909). Red Cloud war Anführer der Bad Faces, einer militanten Gruppe der Oglala-Lakota-Indianer, und einer der größten militärischen und politischen Führer der Prärie-Indianer. Der Festanzug ist aus Hirschleder gefertigt, das Hemd bestickt mit Perlen und behangen mit Haaren von Stammesmitgliedern. Dazu gehören die Leggins zum Schnüren und der mit Federn bestückte Kopfschmuck. Patty Frank, der Begründer des Karl-May-Museums, hat ihn vor über 100 Jahren auf seinen Tourneen als Schausteller in den USA erworben.
Ein Angebot zum Tauschen
Weil Patty Frank aber stets nach neuen Stücken für sein Museum in Radebeul Ausschau hielt und noch andere Häuptlingskleider besaß, bot er Stücke aus seiner Sammlung anderen Museen zum Tausch an. Robin Leipold: „Wir haben hier den Briefwechsel von 1939 mit dem Mannheimer Völkerkundemuseum.“ Daraus ist zu entnehmen, dass Frank dort den Anzug anbot und ihn auch zum Begutachten hinschickte. Im Gegenzug wollte er vom dortigen Museumsleiter einen sogenannten Wampum-Gürtel haben, ein aus Perlen gestickter Gürtel, ebenfalls eine Kostbarkeit, so Kustos Leipold.
Der Tausch kam nicht zustande, trotz mehrmaliger Nachfragen von Patty Frank. Es folgten die Kriegswirren bis 1945. Erst 1950 fragte der Radebeuler wieder nach. In Mannheim wurde ihm versprochen, dass nach dem Anzug gesucht werde. Mehr nicht. 1959 verstarb Patty Frank. Fünf Jahre später hieß es in einem Schreiben aus dem Westen, der Anzug sei nicht auffindbar.
Erst 1988 setzte sich die Geschichte zum Red-Cloud-Anzug fort. Damals führten die DDR und die BRD einen Kulturgüterrücktausch durch. In diesem Zusammenhang bekam das Karl-May-Museum einen Anzug, der von dem Häuptling stammen sollte, aber überhaupt nicht identisch war, sagt Robin Leipold. In Wirklichkeit eine mexikanische Cowboy-Kluft, nicht mehr.
Aufgemerkt haben die Radebeuler erst wieder im vorigen Jahr. Seitdem hat das hiesige Museum Kontakt mit Martin Schulz, Ethnologe und ehemaliger Sammlungsleiter vom Mannheim Museum. Er hatte einen Artikel mit Abbildungen zu einem Festanzug von einem Häuptling in der Fachpresse veröffentlicht. Leipold wiederum kannte aus einer unscheinbaren Kiste in der Radebeuler Villa Bärenfett, mit der Aufschrift „Verliehene und fehlende Objekte“, Karteikarten mit sehr genauen Zeichnungen und Beschreibungen des wahren Red-Cloud-Anzugs. Beide Abbildungen – die im Artikel von Schulz und auf den Karteikarten – stimmten überein.
Mit einer Kiste nach Mannheim
Danach ging alles sehr schnell, gemessen an den vielen vergangenen Jahren vorher. Die Radebeuler Museumsleitung hat sich am 27. März dieses Jahres an die Mannheimer gewandt und Patty Franks Karteikarten und den Briefwechsel der dortigen Sammlungsleiterin als Beweis zur Verfügung gestellt.
Vorige Woche waren Museumsleiterin Claudia Kaulfuß mit einer extra für den Transport angefertigten Kiste in Mannheim. Leipold stolz: „Auf der Hintour hatten wir den mexikanischen Cowboy-Anzug im Kofferraum, zurück das sehnlichst erwartete Festkleid von Red Cloud.“
Der Anzug ist sehr gut erhalten. Er war sicher verwahrt im Depot des Völkerkundemuseums. Warum er in den vielen Jahrzehnten vorher nicht auffindbar gewesen sein soll, kann sich heute niemand erklären, heißt es. Die Karl-May-Museumschefin: „Wir sind jedenfalls sehr dankbar, dass die Mannheimer so fair waren und gleich geprüft und nachgeschaut haben.“
In den nächsten Wochen soll der Häuptlingsanzug von einem Restaurator untersucht werden. „Wir wollen das besondere Kleid auf jeden Fall unseren Besuchern zeigen – möglichst noch in diesem Jahr in der geplanten Ausstellung Schätze aus dem Depot“, sagt Robin Leipold und streicht behutsam über das Hirschleder.