Von Ines Scholze-Luft
Der Abend ist feucht und kühl. Doch das hält die Leichtathleten vom SSV Planeta nicht davon ab, ihre Runden im hell erleuchteten Lößnitzstadion zu laufen. Training ist Training. Immer wieder scharen sie sich um einen schlanken, mittelgroßen Mann. Trainer Eberhard Arnold. Ruhig und bestimmt gibt er seine Anweisungen. Wie sie sich die Stadionrunde einteilen sollen, wo der Tempowechsel erfolgt. Eberhard Arnold hat aufmerksame Zuhörer und die wiederum einen ganz genauen Beobachter für jeden ihrer Schritte.

Sechs Mitglieder zwischen 40 und 50 Jahren zählt die Erwachsenengruppe. Heute sind nur drei dabei – Krankheiten machen auch um Sportler keinen Bogen. Nebenan übt die Jugend an der Weitsprunggrube. Arnold kennt sie alle – mit Namen, Alter, Wettkampfplatzierung. Da wird es auch mal privat: „Heute Abend gehe ich mit meiner Frau noch ins Theater.“ Doch vor allem findet er lobende Worte für seine Schützlinge. Wenn er sieht, wie sie sich Mühe geben, dass sie Spaß haben bei all den Anstrengungen. Hier läuft die Mutter, dort springt der Sohn. Da ist der Trainer begeistert. Er scheint auch gar nicht zu frieren mit Handschuhen und Schirmmütze, in seiner grünen Jacke mit dem Vereinslogo. Obwohl die Kälte langsam an den Beinen hochkriecht. Freude wärmt.
Freude darüber, dass sich der Nachwuchs im Verein so gut macht. Dass andere das spüren, was ihn umtreibt. Denn der Sport ist sein Leben. Vom Gerätturnen in den Kinderjahren bis zum Leichtathletiktrainer heute noch, wo sein 80. Geburtstag auch schon wieder etwas zurückliegt.
Europameister in Athen
Da blitzen die hellwachen Augen des Sportlers, wenn er von seiner wohl liebsten Beschäftigung und unzähligen Erlebnissen und Begegnungen dabei erzählt. Von den Erfolgen beim Staffel- und Hürdenlauf beispielsweise, wo er zu DDR-Zeiten mehrmals Bezirksmeister und Seniorenmeister wurde. Nach der Wende holte er mehrere Lauf-Welt- und Europameistertitel.
Auch die Erinnerung an seine schönste Medaille ist lebendig: In Athen 1994 Gold mit der 4x400-Meter-Staffel bei der Leichtathletik-EM der Senioren. Nur eines hat ihm damals nicht so gefallen. Das Stadion. „So große Stadien werden bei Seniorenwettkämpfen nie voll, da fehlen einfach die Zuschauer. Kleinere Sportstätten sind günstiger, wie bei den Finnen. Die verstehen es sowieso am besten, derartige Wettkämpfe auszurichten“, sagt Arnold. Er muss es wissen. Ist er doch nach der Wende viel herumgekommen auf Wettkampftour in Europa. Auch 1991 zur WM nach Turku. Doch in den Rückblick mischt sich Wehmut. Denn das Laufen hat Eberhard Arnold inzwischen aufgegeben. Die Folge von Knie-OP und chronischer Bronchitis. Das heißt aber nicht, dass er dem Sport abgeschworen hätte. Als Trainer ist er mindestens zweimal in der Woche bei seinen Schützlingen zu finden.
Dabei lässt es der Sportler nicht bewenden. Der Hometrainer steht keinesfalls als Ausstellungsstück in der Wohnung. Zwei Nachmittage in der Woche geht Arnold mit seiner Frau Edith zum Fitnesstraining. Danach gibt es daheim Kaffee, bevor ihn das Training ins Stadion ruft.
Überhaupt, seine Frau. „Sie hat mir immer den Rücken freigehalten“, sagt Eberhard Arnold über die 77-Jährige. Dabei ist sie selber im Vereinssport aktiv. „Und sie hat es zu mehr Medaillen gebracht als ich“, betont ihr Mann. Er holte sieben bei Europa- und Weltmeisterschaften der Senioren, seine Frau bringt es auf elf internationale Metalle. 109 Medaillen bei Landesmeisterschaften – die Bilanz von Edith Arnold. Da stehen bei ihrem Ehemann 84 zu Buche. Den Vergleich ergänzt der Trainer allerdings noch um den Fakt, dass die Leistungsdichte im Alter bei Männern größer ist als bei Frauen.
Auf jeden Fall spricht nicht nur die Tatsache für sich, dass beide auch jetzt noch sehr sportlich wirken. Auf ihre vier Kinder hat das Vorbild ebenfalls abgefärbt. Vor allem auf zwei. Auf Sohn Wolfram, der allerdings nicht mehr so aktiv ist. Und auf Tochter Jutta Neumann, die für die Abteilung Leichtathletik gemeinsam mit Maritta Horn erst jüngst wieder im Wurfbereich dreimal Silber bei den Deutschen Meisterschaften holte.
Dem Spiel- und Sportverein (SSV) Planeta, der seit 53 Jahren besteht, sind Arnolds von Anfang an verbunden. Schon in den 80er-Jahren war dort eine leistungsstarke Seniorenabteilung aufgebaut worden. Auch daran hat Eberhard Arnold entscheidenden Anteil. „Aber ohne die vielen Mitstreiter wäre das gar nicht gegangen“, sagt der 80-Jährige.
Abteilungsleiter beim SSV ist er zwar nicht mehr. Neben dem wöchentlichen Training fährt er jedoch am Wochenende immer mal wieder mit zu Wettkämpfen, betreut den Nachwuchs.
Sport gibt es auch in anderen Bereichen von Arnolds Leben. Auf das jährliche Wanderwochenende mit seinen ehemaligen Mitarbeitern vom Energiebau freut sich der Ingenieur genauso wie auf die Kegelabende mit den Kollegen seiner Frau, die ebenfalls beim Energiebau arbeitete. Während Edith Arnold sozusagen Urradebeulerin ist, kommt ihr Mann aus der Stolpener Gegend. Über die Arbeit gelangte er nach Radebeul, sportlich ging es vom DSC-Vorgänger Sportclub Einheit Dresden, wo er bis 1959 tätig war, zu SSV Planeta. Und zum Wiederbeleben der Leichtathletik. Die gab es zwar bis 1957 in Radebeul-West, erzählt Eberhard Arnold. Dann jedoch sei sie eingegangen. Und erst wieder mit Arnold aufgelebt, der weitere Engagierte aus Dresden mitbrachte. Obwohl Pessimisten meinten, das wird nix in Radebeul, ließ der Fortschritt nicht lange auf sich warten. 1963 gab es den ersten DDR-Meistertitel nach drei Jahren.
Auch heute kämpfen die Sportler darum, den Erfolgsfaden nicht abreißen zu lassen. Stolz ist Eberhard Arnold, dass neben den derzeit fünf Trainern in der Abteilung drei Nachwuchstrainer arbeiten und dieses Jahr ihre Ausbildung starten. Dass der SSV Planeta jetzt drittbester Verein hinter dem Dresdner SC und Rot-Weiß Bautzen ist. Und dass ihn so mancher Radebeuler in Erinnerung an sportlicher Stunden mit den Worten begrüßt: „Ich war früher auch schon mal bei Ihnen.“