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Der Känguru-Papa

Ein kleines Känguru sorgt für Heiterkeit im Meißner Tierpark. Doch die Handaufzucht bringt Hindernisse mit sich.

Von Maximilian Helm
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Gertrud ist ein kleines Känguru, das nach dem Tod ihrer Mutter vom Meißner Tierparkchef Heiko Drechsler aufgezogen wird.
Gertrud ist ein kleines Känguru, das nach dem Tod ihrer Mutter vom Meißner Tierparkchef Heiko Drechsler aufgezogen wird. © Claudia Hübschmann

Meißen. Die meiste Zeit des Tages verbringt Gertrud in einem Flechtkorb, vergraben unter flauschigen Decken und Handtüchern. Normalerweise würde das sechs Monate alte Kängurubaby derzeit noch im Beutel seiner Mutter stecken. Doch bei Gertrud ist es anders: Tierparkchef Heiko Drechsler zieht sie selbst auf, die Pflege des kleinen Beuteltieres teilt er sich mit seiner Frau.

So niedlich die Kleine herumhopst, so traurig ist die Geschichte dahinter. Gertrud kam im Tierpark als kerngesundes, kleines Känguru zur Welt und ihre Mutter kümmerte sich rührend um sie. Doch eines Nachts im April wurden die Kängurus aufgeschreckt. Der wahrscheinlichste Grund ist ein Fuchs oder Waschbär außerhalb des Geheges. 

Kängurus sind Fluchttiere, ähnlich wie Pferde neigen sie dazu, bei Gefahr stur in eine Richtung zu stürmen, ungeachtet möglicher Hindernisse. Auch im Meißner Tierpark haben sich die Tiere an der Umzäunung verletzt. „Als ich am Morgen ins Gehege kam, war ein Känguru leicht verletzt, eins hatte sich das Bein gebrochen und Gertruds Mutter hatte einen zerfetzten Kiefer“, sagt Heiko Drechsler. 

Fünf Tage fraß sie nichts, auch der hinzugezogene Tierarzt war machtlos. Eines Abends, als klar war, dass es ihre letzte Nacht sein würde, nahm der Tierparkchef das Baby aus ihrem Beutel. „Hätte die Leichenstarre eingesetzt, wäre auch das Kleine erfroren“, sagt Drechsler.

Seit diesem Abend lebt Gertrud bei ihm. Ein wenig Erfahrung hat der 56-Jährige mit kleinen Beuteltieren, allerdings gingen diese Geschichten bisher nicht alle gut aus. Am meisten Probleme bereitet die Ernährung, Kängurus saugen im Beutel alle zwei Stunden knapp 15 Milliliter Milch, zu viel auf einmal würde ihrem Magen schaden. Das hat Konsequenzen: Denn deshalb muss das Ehepaar Drechsler alle zwei Stunden aufstehen.

Doch bei der Ernährung sind nicht nur die Uhrzeiten problematisch. Milch von europäischen Tieren haben zu viel Zucker für Kängurus, und spezielle Milch für Kängurus aus Australien bleibt häufig im Zoll hängen, da sie in Pulverform verschickt wird. 

Heiko Drechsler holte sich Rat im Erfurter Zoo, bei Susanne Mayer, die sich dort um die Kängurus kümmert. Sie empfahl, eine spezielle, stark verdünnte Hundemilch zu füttern. Langsam fängt Gertrud auch an, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Im Normalfall beginnen die Jungen mit neun Monaten, regelmäßig den Beutel zu verlassen. Doch das wird neue Probleme schaffen. 

Kängurus leben in einer strengen Rangordnung, im Alltag in einer Gruppe ist es Aufgabe der Mutter, ihr Junges zu beschützen. „So gern ich es würde, aber das kann ich nicht leisten“, sagt Drechsler. Also plant er schweren Herzens, Gertrud wegzugeben. Weibchen seien selten, sagt er, weshalb es nicht an Interessenten mangelt.

Wo immer der Tierparkchef hingeht, ist das kleine Känguru natürlich eine Attraktion. „Vergangene Woche musste ich ins Krankenhaus, normalerweise sind da keine Tiere erlaubt, aber in dem Fall haben sie eine Ausnahme gemacht“, erzählt Drechsler.

Dauerhaft im Tierpark zu sehen ist Gertrud noch nicht. Doch Gäste, die am kleinen Beuteltier interessiert sind, haben am Wochenende Glück. „Am Samstag und Sonntag hat sie meine Frau mit am Kiosk, um 11 Uhr, um 13 Uhr und um 15 Uhr kann man dann bei der Fütterung dabei sein“, sagt Heiko Drechsler.