Von Annechristin Kleppisch
Das Warten hat sich gelohnt. Stolz hält Sabine Kind das Autogramm in den Händen. Dreieinhalb Stunden hat die 63-Jährige diesen Moment herbeigesehnt, 30 Sekunden ganz nah bei Roland Kaiser, einmal Hallo sagen, einmal seine Hand schütteln. „Es war sehr anstrengend zu warten“, sagt sie. Schnell hat sie die Strapazen vergessen. Die Freude überwiegt.
Wie der Prohliserin ging es gestern knapp 1 000 Fans des Schlagersängers. Zur Autogrammstunde war der in den Kaufpark Nickern gekommen. Das ist einer von deutschlandweit nur zwei Terminen, bei denen der 62-Jährige derzeit sein neues Album „Seelenbahnen“ vorstellt. „Roland wollte in seiner Heimatstadt Berlin und in seiner Lieblingsstadt Dresden sein Album vorstellen“, sagt Henry Hammitzsch vom Media-Markt.
Der Elektronik-Markt hat die Autogrammstunde in Nickern organisiert. Dort hatte Kaiser schon vor zehn Jahren seine Fans beglückt. „Schon damals war hier viel los“, sagt Henry Hammitzsch. Kaiser hat an das Einkaufszentrum an der B 172 wohl gute Erinnerungen. Vor zwei Wochen kam der Anruf von seinem Management. Und so zieht der Kaiser nicht in Dresdens Innenstadt ein, gastiert auch nicht an der Elbe, sondern gibt den Fans in Nickern eine Audienz. Einige sind dafür sogar aus Leipzig und Aue gekommen. Die Ersten warteten schon ab 12 Uhr im Kaufpark auf ihren Lieblingssänger.
Und der lässt sie erst einmal warten. Um 17 Uhr beginnt die Musik aus der Anlage zu spielen. Extreme, Johanne, Ein Ende kann ein Anfang sein, Es geht schon wieder los – Hit auf Hit schallt durch das Einkaufszentrum. Die Menschen singen mit, grölen, schreien, wippen mit dem Fuß, tanzen zwischen Fleischerladen und Klamottenständern, stehen auf den Blumenkübeln. Kinder, Erwachsene, Mütter mit Kinderwagen und mit Babybauch, Senioren mit Rollatoren: Kaisers Publikum ist vielfältig. Eifrig werden CDs gekauft. Das neue Album für zwölf Euro, die Best-of-Platte für fünf. Ein DJ animiert die Fans. „Haltet eure CDs hoch“, ruft er in die Menge. Viele quadratische Plastikhüllen mit Kaisers Bild werden in die Luft gestreckt. Das Geschäft hat sich gelohnt.
Auch für den Kaufpark Nickern. Immer wieder laden das Management oder einzelne Geschäfte bekannte Stars für Kurzkonzerte und Lesungen ein, darunter die Münchener Freiheit, Linda Hesse, Matthias Reim und auch Manager-Schwergewicht Reiner Callmund. Für seine prominenten Gäste ist das Einkaufszentrum bekannt und beliebt. Sechs Millionen Besucher kamen im vergangenen Jahr und kauften ein. 72 Geschäfte gibt es in dem Center. Freie Flächen sind rar. Im Einzugsgebiet im Dresdner Süden sowie Süd-Ost-Sachsen leben 700 000 Kunden.
„Rolli, Rolli“, rufen die Fans im Chor. Endlich ist Roland Kaiser da. 20 Minuten zu spät. Ein Stau hat ihn aufgehalten. Den Fans ist das egal. Roland Kaiser erklimmt die Bühne, winkt kurz. „Ich werde heute nicht singen“, sagt er. „Nur schreiben.“ Ein Schreibmarathon wird es werden. Geduldig erfüllt er die Wünsche seiner Anhänger. Die reichen ihm unzählige Blumen.
Sabine Kind hat ihrem Idol Nelken mitgebracht. „Nicht aus dem Garten“, sagt sie. Das habe sie nicht mehr geschafft. Sie wollte schließlich früh genug bei Roland sein. Trotzdem, die Geste zählt. Ihr Lieblingslied? Sie zuckt mit den Schultern. „Es gibt zu viele, die schön sind.“ Viele Schallplatten hat sie von dem Sänger zu Hause. Ein Autogramm hatte sie bisher noch nicht. Es wird einen Ehrenplatz in der Prohliser Wohnung bekommen. Und sie immer an den einen Moment erinnern.