Von Frank Seibel
Georg Milbradt ist gerne in Görlitz. Nicht immer muss die Zeitung am nächsten Tag drüber berichten, sagt er, und man nimmt es ihm ab. „Wenn ich zum Beispiel meinem Sohn das Heilige Grab zeige.“ Gestern war der sächsische Ministerpräsident zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen in Görlitz. Diesmal sollte die Zeitung durchaus berichten; er schaute sogar selbst kurz vorbei in den neuen Redaktionsräumen der SZ. Zum Abschluss des OB-Wahlkampfes stellte er sich noch einmal demonstrativ an die Seite des CDU-Kandidaten Joachim Paulick.
Drunten im Keller der Vierradenmühle wurde es eng und gemütlich gestern Abend. Paulick und Milbradt, der Kandidat und der Landesvater, spielten ein politisches Ping Pong und diskutierten mit den Gästen. Ob die Region um Görlitz auch das Potenzial habe, einmal ein sächsischer „Leuchtturm zu werden“, fragt der Görlitzer den Regierungschef. Und Milbradt schwärmt von der zentralen Lage im Herzen Europas, mahnt noch einmal, mehr Polnisch zu lernen, damit Görlitz sich als Sprungbrett von Deutschland nach Polen etablieren kann. „Das ist ein Aufruf, die eigenen Potenziale zu mobilisieren“, sagt Paulick. „Das ist auch mein Ansatz.“
Das nächste Stichwort provoziert den größten Applaus des Abends. „Wir haben in Görlitz mehr vor, als wir uns leisten können“, leitet Paulick die Frage nach dem Haushalt ein. Milbradt kann mit einer Überraschung auftrumpfen: Die Genehmigung geht noch in dieser Woche raus, und der Neubau des Schwimmbads ist damit auch gesichert. Kulturbürgermeister Ulf Großmann atmet im Publikum auf, hebt beide Daumen in die Höhe. Klatschen im Gewölbe.
Milbradt nutzt den Anlass zu einer Spitze gegen die Mehrheit des Stadtrats. Den Haushalt in so schwieriger Zeit durchzubekommen, sei eine große Leistung des Finanzbürgermeisters. „Man hat Rainer Neumer dafür gedankt, indem man ihn abgewählt hat.“ Demonstrativ lobt Milbradt Paulick als „Politiker mit Augenmaß.“ Traumtänzerei und Ideologie hilft in der Kommunalpolitik meist nicht sehr weit.“
Dann aber doch das Bekenntnis zu einem großen Wurf: Die Kulturhauptstadt-Bewerbung. „Anfangs war ich skeptisch, ob Görlitz nicht nur von allgemeinen Problemen ablenken will. Aber als ich das Potenzial erkannt habe, habe ich mich mit voller Kraft dahinter gestellt“, bekennt sich Georg Milbradt zur Görlitzer Bewerbung. Und Joachim Paulick unterstreicht deren Bedeutung. „Ab Mai gibt es kaum noch freie Hotelbetten. Im Tourismus ist der Effekt der Kulturhauptstadt-Bewerbung schon deutlich spürbar.“ Jetzt müssten die Görlitzer allerdings zeigen, „dass wir würdig sind, Kulturhauptstadt zu werden“.
Stichwort Tourismus. Natürlich, sagt Milbradt, steckt hier noch Potenzial drin. Aber anders als in dünn besiedelten Gebieten wie Mecklenburg-Vorpommern habe der Tourismus eher eine begleitende Funktion. „Ohne Industrie geht’s nicht.“ Und er verteidigt die so genannte Leuchtturm-Politik, die er eher als Lokomotiven-Politik verstanden wissen will. „Ohne VW in Zwickau gäbe es die Zulieferer in der Oberlausitz nicht.“
Beim Stichwort Berzdorfer See kommt Joachim Paulick etwas aus der Reserve. „Ich schätze, dass der See im April 2008 voll ist. Bis dahin brauchen wir noch ein paar ordentliche Winter mit anschließender Schneeschmelze und im Sommer auch mal einen tüchtigen Landregen.“ Die Entwicklung des Areals will er seinem geplanten „Kompetenzzentrum Wirtschaft“ im Rathaus anvertrauen.
Um das Handwerk anzukurbeln, wie von Malermeister Friedrich Linke gefordert, sieht er die Hände des OB allerdings gebunden. An der öffentlichen Vergabe-Ordnung komme man nicht vorbei. „Aber man muss nicht immer das billigste Angebot nehmen, sondern das wirtschaftlichste.“ Hier sei die Stadt schon auf gutem Kurs. Für bestimmte Arbeiten aber würden sich bislang kaum Lausitzer Firmen bewerben. Da war er wieder, der Appell an die eigenen Potenziale.