Von Thorsten Schaar
Als der Präsident in der Halbzeit zu seiner Bratwurst will, wird er kurz vor dem Grill von einem Mann gestellt. Besondere Kennzeichen: hochroter Kopf. Noch atemlos stammelt er: „Ich konnte nicht mehr, Chef. Die haben mir schon Traubenzucker gegeben. Ich wäre beinahe umgekippt.“ Agissilaos Kourkoudialos, blaue Kappe, blaue Stoffhose, hört sich das geduldig an. Vor ihm steht: das Maskottchen. Der Grotifant wäre bei der Hitze fast kollabiert. Und jetzt soll ihm der oberste Dienstherr bestätigen, dass er seine Verkleidung ablegen darf.

Einige Jahre lang war der Plüschelefant das einzige Wesen, das kuriose Meldungen über den KFC Uerdingen produzierte. Dann kam, im Januar 2008, dieser Agissilaos Kourkoudialos und wurde der neue starke Mann. Seitdem sorgt nur noch der Präsident für Schlagzeilen. Der Immobilienunternehmer – in Krefeld wahlweise Lakis oder Herr Lakis genannt – hat gerade Mohamadou „Mo“ Idrissou als Mittelstürmer verpflichtet. Zusammen mit einem russischen Sponsor plant er die Wiederauferstehung des Uerdinger Fußballs.
Sie wollen so schnell wie möglich in die dritte Liga. Zuletzt sind sie aber erst einmal in die fünfte abgestiegen. „Herr Lakis“, 49, ist vielleicht der letzte Verrückte in einem Geschäft, in dem längst die Controller das Sagen haben. Er hat sogar mal mitgespielt, am letzten Spieltag der Oberligasaison 2012/2013, 15 Minuten gegen Germania Ratingen. Elfmeter. Bei Youtube gibt es einen verwackelten Film seines Auftritts. Die Fans singen: „Auf geht’s, Lakis, schieß ein Tor.“ Dann läuft er an – und verschießt.
Dabei war alles ein großer Zufall. Lakis suchte 2008 nach Freizeitausgleich, er hatte zu viel gearbeitet. Er sagt: bis zu 15 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Im Mauritius-Urlaub hatte ihm sein Freund Rudi Völler – mit ihm unterhält er eine private Kartenrunde – erzählt, dass die Bayer-AG den Profibasketball aufgeben wolle. Für anderthalb Millionen könne man den Spielbetrieb aufrechterhalten. Lakis, in Leverkusen aufgewachsen, erzählte einem Mitarbeiter davon. Der antwortete: „Mach doch lieber was für den KFC Uerdingen, denen steht das Wasser bis zum Hals.“ Am nächsten Tag saß der damalige Interims-Boss bei ihm im Büro. Es waren noch vier Tage Zeit, das Ende abzuwenden.
Jetzt ist Lakis seit über sieben Jahren Präsident. Mittlerweile hat er verstanden, dass man besser nicht mit dicker Zigarre und Kaschmirmantel auf den Platz geht. Er sagt: „Andere spielen Golf, ich gehe zum KFC Uerdingen.“ Hinter ihm in der Vip-Loge beim Spiel gegen Schwarz-Weiß Essen sitzt Mikhail Ponomarev, neuer Hauptsponsor, den er in der BayArena kennengelernt hat. Ponomarev kommt jetzt zu jedem Heimspiel des KFC. Der Investor, der vorerst 120 000 Euro beisteuert, sagt: „Was ich hier mag, ist die Tradition.“ Und dann ergänzt er, dass der KFC wieder ganz nach oben gehöre. 2012 hat der Russe mit seinem besten Kumpel den AFC Bournemouth in der vierten englischen Liga übernommen. Seit dieser Saison spielt der Klub in der Premier League. Für Lakis ist es ein Neustart. Meist überlegen sie im Bundesliga-Szenetreff Kytaro in Düsseldorf, wie es nach oben geht. Trainer Michael Boris wurde mit dem Auftrag eingestellt, im Sommer 2016 aufzusteigen.
Als der Präsident neulich Mo Idrissou verpflichtet hat, da erinnerte sich jeder an einen anderen Transfercoup. Im Dezember 2009 kam ein abgehalfterter Ailton an die Grotenburg, sechste Liga. Ailton brauchte das Geld. Uerdingen bekam mehr mediale Aufmerksamkeit als beim Europapokal-Halbfinale gegen Atletico Madrid 1986. Aber das mit Idrissou ist anders. Ernst zu nehmen. Der Mann mit den langen Armen wollte weiter in Düsseldorf wohnen, und Lakis bekam davon Wind.
Was ist das für ein Mann, der sich einem wildfremden Verein an den Hals schmeißt? Auf dem Empfangstresen seiner Firma in Krefeld liegen die jeweils vier letzten Ausgaben der „Immobilien Zeitung“ und des „Reviersport“. Groß an der Wand steht: Lakis Group Real Estate. Er hat mehr als 25 Mitarbeiter. Bevor er Häuser verkaufte, hat Lakis in Mode gemacht. 1995 erwarb er die ersten Immobilien im Osten, spezialisierte sich auf Denkmalschutz und Altbaumodernisierung. „Ob Anzüge oder Häuser, das ist kein großer Unterschied“, sagt er. „Am Ende bin ich Kaufmann.“ Den Fußball vergleicht er gern mit der Modebranche: Jede Saison erfordere eine neue Kollektion.
Der WDR hat ihm neulich bescheinigt, dass er Spielern Schrottimmobilien aufgeschwatzt habe. Ailton trat als Kronzeuge auf. Lakis geht gegen den Sender vor und meint: „Ich habe daraus gelernt. Heute trenne ich Job und Verein strikt. Wenn ein Spieler eine Wohnung von mir haben will, sage ich: Können wir machen, aber nur, wenn du einen Notar und ein Kamerateam mitbringst.“ Ende 2014 war die Steuerfahndung bei ihm. Ein Vorwurf lautete, Lakis habe Spieler in seinem Unternehmen beschäftigt, die dort gar nicht arbeiteten. Beim ehemaligen Werksklub lag mal wieder alles in Trümmern, doch Lakis ist geblieben. Er möchte jetzt schnell in die dritte Liga. „Und wenn man dort ist, wird man auch über die zweite Liga nachdenken“, sagt er. Er verlegt gerade die Geschäftsstelle, um alles besser unter Kontrolle zu haben. Noch wird in seinem Hinterhof umgebaut. Bald können die Mitarbeiter einziehen. Er nennt das Professionalisierung.
16 der 22 KFC-Spieler leben vom Fußball. Beim KFC zahlen sie dreimal so viel Gehalt wie in der Oberliga üblich. Zu den Spielen kommen im Schnitt gut 2 000 Fans ins 34 000-Zuschauer-Stadion. Lakis hofft, dass die Stadt das Stadiongelände nach einem Aufstieg in die vierte Liga verkauft. Dort könnten dann – wie auf dem Gladbacher Bökelberg – Häuser in attraktiver Lage gebaut werden. Und der Klub, so sein Traum, bekäme anderswo in Krefeld ein neues Stadion. Zehn- bis zwölftausend Plätze, sagt er, würden für die dritte Liga ausreichen.