Von Peter Redlich
Davon träumen kleine Jungs: Indianer und Cowboy spielen. Auf Bäume klettern und Schlachtrufe üben. Jeder hat seinen Spitznamen, und die angesehensten unter ihnen dürfen sich Winnetou und Old Shatterhand nennen. So oder ähnlich muss es gewesen sein, als damals René Wagner als Steppke mit seinen Schulfreunden im Wohnviertel im Dresdner Stadtteil Niedersedlitz Szenen aus den Büchern von Karl May nachspielte.
Die unbändige Sehnsucht nach den Geschichten aus den zu DDR-Zeiten arg zerlesenen Bänden des Abenteuerschriftstellers wurde bei dem Dresdner immer größer. Bei jeder nur passenden Gelegenheit forderte er dazu auf, endlich die Bücher seines Idols wieder zu verlegen. Ende der 70er Jahre kippte die Stimmung der DDR-Kulturoberen schließlich zu Gunsten Karl Mays. Seine Bücher wurden wieder gedruckt. Das Indianermuseum in Radebeul durfte wieder Karl-May-Museum heißen.
Und nach Patty Frank und Paul Siebert wurde ein Direktor für die Villa Bärenfett und – das war im Februar 1985 neu – auch für die Villa Shatterhand gesucht. Doppeljubiläum also für den Mann, der nicht wegen der körperlichen Größe, aber mit seinem Hut – Fachleute sagen Stetson – auffällt. Und für die Villa, in der Karl May seine Schätze aufbewahrte. Erst amtierend und seit 1987 dann richtig, steht der heute 55-jährige René Wagner dem inzwischen auf allen Kontinenten bekannten Museum vor. Kräftig gewandelt hat sich auch die Präsentation der Sammlung in den zurückliegenden 20 Jahren. Vom früher fast ausschließlich auf die Indianerkultur orientierten Haus ist das Angebot heute viel umfassender gestaltet. Die Villa Shatterhand offeriert dem Besucher gründliche Einblicke in das Leben Karl Mays. Gegenstände aus seinen Romanen, vor allem auch aus den Handlungen im Orient, sind neben den legendären Gewehren Henrystutzen und Bärentöter in Vitrinen zu betrachten.
Heute treffen sich im Museum die Oma mit dem Enkel, der die Silberbüchse sehen will, der Indianistikforscher aus den USA und Schauspieler wie die Winnetou-Schwester Marie Versini. Politikgrößen wie Wolfgang Mischnick oder Nikaraguas ehemaliger Innenminister Tomas Borge bekommen glänzende Augen. Auch immer mehr Schulklassen werden von Museumspädagogen spielerisch in die Themen der Völkerkunde eingeweiht. René Wagner und seine zwölfköpfige Mannschaft haben es nicht nur vermocht, die Erinnerung und weitere Forschung an Karl May und den Indianern Nordamerikas lebendig zu halten, sondern auch ein wirtschaftliches Museum zu organisieren.
Rund 66 000 Besucher wollten im vergangenen Jahr die Schätze der Einrichtung bewundern.
www.karl-may-museum.de