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Der Mann mit den drei Leben

Über  30 Jahre war Hans Haubner Raumausstatter und 16 Jahre Bürgermeister. Jetzt hat er eine ganz neue Aufgabe für sich entdeckt.

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© hübschmann

Von Dieter hanke

Hans Haubner, Ex-Bürgermeister von Nossen, wäre sicher auch ein guter Biologielehrer geworden. Mit dem heute 71-Jährigen ist die SZ im Nossener Muldental unterwegs. Vom Geschwister-Scholl-Gymnasium geht es Richtung Sportplatz. Sein großes Fernglas hat er griffbereit. An diesem schönen Frühlingsmorgen zwitschert, jubiliert, klopft und pfeift es zwischen den Ästen. Hans Haubner kennt sie alle. „Das ist ein Rotkehlchen, dort ein Buchfink. Sehen Sie, ein Kleiber läuft am Stamm kopfüber.“ Sein Fernglas kommt kaum zur Ruhe. Soeben hat der 71-Jährige ein Goldhähnchen ausgespäht – den kleinsten heimischen Vogel, der nur neun Zentimeter lang und fünf Gramm schwer ist. „Ein gutes Fernglas, von Carl Zeiss, ich bin damit sehr zufrieden“, sagt er. An die 17 Vogelarten würden im Muldental leben. Im Zellwald, wo er auch gern wandert, seien es bedeutend weniger.

So macht das Lernen Spaß. Die Dr.-Eberle-Oberschule wurde modernisiert, erhielt neue Fachkabinette. Im November 2004 schaute Hans Haubner Schülerinnen der Einrichtung beim Chemieexperiment über die Schulter. Foto: Claudia Hübschmann
So macht das Lernen Spaß. Die Dr.-Eberle-Oberschule wurde modernisiert, erhielt neue Fachkabinette. Im November 2004 schaute Hans Haubner Schülerinnen der Einrichtung beim Chemieexperiment über die Schulter. Foto: Claudia Hübschmann

Hans Haubner ist ein Vogelexperte. Er erkennt die Tiere an ihren Stimmen und Geräuschen. „Früher konnte ich die Vögel nur nach den Abbildungen in Büchern unterscheiden. Nach und nach gelang es mir, diese auch an ihrem unterschiedlichen Gesang zu erkennen“, bemerkt er. CDs mit den Vogelstimmen seien ihm dabei sehr hilfreich gewesen. Seit geraumer Zeit führt er einmal im Jahr Naturinteressierte bei einer Vogelstimmen-Wanderung in der Umgebung, und er baute auch schon viele Nistkästen für Vögel im Zellwald.

Nahe am Sportplatz setzt der Nossener einen Frosch in den Teich, der sonst sicher auf dem Weg umgekommen wäre. „Die Natur fasziniert mich. Die Schönheit von Fauna und Flora, der Kampf von Pflanzen und Tieren ums Überleben“, sagt er. Er ist froh, dass es ihm als Bürgermeister gelungen ist, das Muldental als Landschaftsschutzgebiet auszuweisen. Bereits 1995 hat er dafür den Antrag gestellt. „Mein schönster Platz ist hier der Aussichtspunkt Bastei – eine wunderbare Sicht auf das Nossener Schloss und das Muldental“, schwärmt er. Leider habe er es als Bürgermeister nicht mehr geschafft, im Muldental einen neuen Rodigtturm zu errichten. Der 14 Meter hohe Eisenturm von 1884, der ebenfalls ein beliebter Aussichtspunkt war, wurde 2006 wegen Baufälligkeit abgerissen. „Das Geld liegt noch auf der Stadt“, sagt Hans Haubner. Bei seiner Verabschiedung als Bürgermeister im April 2006 hätte er die Gäste gebeten, statt Geschenke Geld für einen neuen Rodigtturm zu spenden.

Wieder am Geschwister- Scholl-Gymnasium angekommen, freut er sich über die sanierten Gebäude, über die vielen jungen Leute, die gerade Hofpause haben. „Das war ein großer Kampf, das Gymnasium in der Stadt zu halten. Es sollte Jahre nach der Wende geschlossen werden. Da machte ich nicht mit. Das ländliche Gebiet braucht ein modernes Bildungszentrum“, sagt er. Heute würden hier an die 700 Schüler lernen. Der Landkreis als Träger habe viele Millionen in die Sanierung der Gebäude gesteckt.

Vom Lottogewinn eine AWO gekauft

„Man soll nicht aufgeben, wenn man eine Sache für richtig erkannt hat, man soll beharrlich sein. Und die Menschen einbeziehen, Prioritäten setzen.“ Das sei seine Devise. So hätte er es schon immer gehalten.

Mit einem Treck kam er 1946 mit den Eltern nach Sachsen. Sie wurden aus Schlesien vertrieben. Er war knapp fünf Jahre, lebte dann in einem Barackenlager in Roßwein, hütete Kühe, verzog Rüben. 1961 – er lernte in Roßwein Tapezierer – hatte er Riesenglück. Er gewann 7 000 Mark im Lotto. Davon kaufte er sich eine Sport-AWO, Lederjacke und Möbel. Das übrige Geld sparte er eisern. Als er 1966 heiratete und im selben Jahr ein altes Haus in Nossen erwarb, kamen ihm seine Ersparnisse zu Gute. Auch später, als er sich in der Muldestadt als Raumausstatter selbstständig machte oder als Bürgermeister von 1990 bis 2006 war es sein Prinzip: „Ich kann nur das Geld ausgeben, was ich erwirtschaftet habe.“

Die Nossener sind dankbar, was er in dieser Stadt nach der Wende geschaffen hat. Bequem war er nie, er konnte auch laut und drastisch werden, wenn man ihn über den Tisch ziehen wollte. So zum Beispiel, als nach 1990 westliche Planungsbüros Kläranlagen zu groß dimensionierten, weil dann ihr Gewinn üppiger ausfiel. Oder als er 2002 mit Freistaat und Landkreis aushandelte, dass Nossen sich bei der Eingemeindung von Heynitz nicht nur dessen Schulden auflädt, sondern auch Gelder für eine bessere Infrastruktur bekommt. „Ich war Bürgermeister von ganzem Herzen“, sagt er.

Wenn zu Weihnachten die ganze Familie zusammenkommt – seine vier Kinder, Ehepartner und neun Enkel – und seine Frau Kaninchenbraten auftischt, dann wird über vieles gesprochen. Über seine Gesundheit, er hat oft Migräne, und der Rücken macht auch nicht mehr so recht mit. Da geht es um Urlaubspläne. In diesem Frühjahr will er mit dem Wohnwagen in die Lausitz fahren, im Sommer nach Südtirol. Auch Nossen ist ein Gesprächsthema. „Ich hoffe, dass die Stadt jetzt die Eingemeindung von Ketzerbachtal und Leuben gut packt“, sagt er.

Auch seine Familie freut sich sehr, dass Hans Haubner jetzt Ehrenbürger von Nossen wurde. „Mein Lebenswerk wäre ohne meine Frau nicht denkbar. Sie stand mir immer zur Seite, sagt er. Bald sind Hans und Hannelore Haubner 50 Jahre miteinander verheiratet. In den 60er Jahren hatte der 20-Jährige seine Hannelore beim Tanz in Augustusberg kennengelernt.