Seit vier Monaten müssen sich der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und die Stadt Wilsdruff gedulden: Das Kultusministerium äußert sich nicht, ob ein Gymnasium in Wilsdruff errichtet werden darf. Schuld an der Hängepartie ist auch der Landkreis Meißen. Dort will man die Schule nicht, weil sie dem Nossener Gymnasium Konkurrenz machen könnte. Dabei wird sie dringend gebraucht, denn die Schülerzahlen steigen in den nächsten Jahren, das Freitaler Weißeritzgymnasium aber ist jetzt schon ausgelastet.
Herr Rother, wie weit sind in der Stadtverwaltung die Vorbereitungen für einen Schulneubau vorangetrieben?
Wir haben das Verfahren zur Auswahl des Planers abgeschlossen und dadurch sechs Monate Zeit gewonnen. Der nächste Schritt wäre die Beauftragung der Planung für den Fördermittelantrag. Allerdings können wir das Risiko von dann immerhin über 400 000 Euro Planungskosten ohne die Genehmigung vom Kultusministerium nicht eingehen. Wir sind bereits mit fast 50 000 Euro für die Machbarkeitsstudie und das europaweite Auswahlverfahren in Vorleistung gegangen.
Eine Arbeitsgruppe in Wilsdruff befasst sich mit dem Gymnasium. Wie groß ist die Gruppe, wer gehört ihr an und was wird besprochen?
Die Arbeitsgruppe besteht aus sieben Stadträten sowie Herrn Volker Hegewald als Schulleiter in Dippoldiswalde/Altenberg, sie haben auch das Auswahlverfahren mit begleitet. Den Schulleiter haben wir hinzugezogen, weil wir neue Einrichtungen gerne von innen heraus entwickeln. Nun haben wir hier alle keine Erfahrungen mit Gymnasien, deshalb brauchen wir jemanden, der seinen Sachverstand einbringen kann. Die nächste Aufgabe wäre die Mitgestaltung der konkreten Planung, sobald es grünes Licht vom Kultusministerium gibt.
Meißen hat angekündigt, gegen ein Wilsdruffer Gymnasium zu klagen. Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge will klagen, wenn Wilsdruff abgelehnt wird. Eigentlich könnte doch das Kultusministerium entscheiden, oder?
Ja, das Kultusministerium hat alle Fakten mit Beschluss des Kreistages zum Schulnetzplan seit Februar 2014 vorliegen. Bereits seit Oktober vergangenen Jahres liegen die Unterlagen zur Vorprüfung auf dem Tisch.
Dieses Warten auf eine Entscheidung des Kultusministeriums – ist das nicht nervenaufreibend und vor allem, bremst das nicht die Vorbereitungen aus? Könnte das Absicht sein?
Das kann ich mir nicht vorstellen, und es macht auch keinen Sinn, denn die Plätze werden ja dringend benötigt. Und wer will schon den Kindern erklären, dass sie nicht in einem Gymnasium lernen dürfen? Ich denke, bisher musste sich das Kultusministerium beim Thema Schule leider vor allem mit Schließungen beschäftigen, insofern wird vielleicht mit der Genehmigung eines Standortes auch Neuland begangen.
Fehlen aus diesem Grund Sachsens Schulpolitikern die Zuversicht und der Mut für ein Ja zu Wilsdruff?
Vielleicht. Es scheint tatsächlich der Mut zu einer Entscheidung zu fehlen. Wir müssen im Interesse unserer Kinder konsequent weiterarbeiten und versuchen, alle Steine aus dem Weg zu räumen, die vor uns auftauchen. Die Stadt Wilsdruff will sich nicht vorwerfen lassen, nicht alles für die dringend benötigten Gymnasialplätze zu tun.
Es gibt eine Elterninitiative, die Unterschriften für ein Wilsdruffer Gymnasium gesammelt hat. Inwieweit kann so etwas helfen?
Es ist sehr wichtig, dass sich die Eltern für ihre Kinder zu Wort melden und ein deutliches Signal senden. Dem Ministerium wird dadurch sicher die dringende Notwendigkeit einer Entscheidung noch bewusster.
Der Meißner Landrat hat das Drängen der Wilsdruffer nach einem Gymnasium als „egoistisch“ bezeichnet. Was entgegnen Sie dem?
Vor etwa einem Jahr wurde festgestellt, dass Gymnasialplätze in unserer Region fehlen. Die Stadt Wilsdruff hat sich im Einvernehmen mit dem Landkreis bereiterklärt, diese neu zu errichten. Es geht hier um die Zukunft unserer Kinder, da ist kein Platz für Egoismus.
Meißen argumentiert, man dürfte für ein zukunftsfähiges Schulkonzept nicht nur die eigene Stadt anschauen. Das hatten Sie doch im Blick, oder?
Selbstverständlich, das ist im Schulnetzplan auch ausführlich dargestellt. Es gibt zum Beispiel eine Tabelle mit einer gemeinsamen Darstellung des Einzugsbereiches von Nossen und Wilsdruff. Daraus wird deutlich, dass langfristig sieben bis acht Klassen die beiden Gymnasien besuchen werden. Wenn Nossen und Wilsdruff aber jeweils nur drei Klassen pro Jahr aufnehmen können, bauen wir eher zu klein.
Ist da der Zuzug, der seit Jahren in die Region herrscht, schon einkalkuliert?
Das sind nur die reinen Geburtenzahlen, die zugrunde gelegt wurden. Da ist kein Zuzug einkalkuliert und auch nicht der mögliche Zulauf aus Dresden. Von dort werden höchstwahrscheinlich in den nächsten Jahren mehr Schüler ins Umland drängen, weil die Dresdner Gymnasien voll sind.
Meißen beharrt auf Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung, wonach die Schülerzahlen sinken oder aber stagnieren. Wie passt das mit den Plänen aus Klipphausen zusammen, eine zusätzliche Oberschule einzurichten?
Die Planung der neuen Oberschule in Klipphausen ist der eindeutige Nachweis des dringenden Mehrbedarfes in unserer Region. Das hat auch der Landkreis Meißen erkannt, sonst würde man dort nicht so laut über das Thema reden. Eine weitere Oberschule zu planen und ein Gymnasium zu verhindern, verursacht nicht nur bei mir mehr als Kopfschütteln.
Das Gespräch führte Annett Heyse.