Von Hans-Werner Gebauer
Ottendorf-Okrilla/Dresden. Der Ort der Veranstaltung war gut gewählt: Während noch bis Ende 2006 im Ausstellungsteil des Deutschen Hygienemuseums in Dresden die Schau „Mythos Dresden“ zu besichtigen ist, mühte sich im Marta-Fraenkel-Saal des Hauses eine Historikerkommission ebenfalls, einem Dresdener Mythos nachzugehen, dem der tatsächlichen Opferzahl der Bombenangriffe vom Februar des Jahres 1945. Kolportierte Zahlen von bis zu 600 000 Opfern werden dem Andenken an die grauenvolle Nacht des 13. zum 14. Februar 1945 jedoch nicht gerecht. Diesen Grundkonsens konnten fast alle Tagungsteilnehmer folgen, wenngleich es auch immer wieder Versuche gab, schon vorab „wissenschaftliche Leistungen in Zweifel zu ziehen“, wie zum Beispiel Prof. Dr. Rolf-Dieter Müller in seinen Begrüßungs-Worten betonte.
Was folgte, war oft Wissenschaft pur, Zweifel konnten ausgeräumt werden, Arbeitsstände wurden charakterisiert, und es wird am Ende eine umfangreiche Dokumentation geben, die sich mit größerer Wahrscheinlichkeit bei einer Opferzahl zwischen 25 000 und 35 000 einpegeln wird, so viel wurde klar.
Rödertal hält sich bedeckt
Auch Orte des Radeberger Landes kamen im Sachstandsbericht vor. So waren bereits im August 2005 umliegende Gemeinden und die Stadt Radeberg angeschrieben worden, um zu erfahren, wie viele Dresdner Bombenopfer auf den Friedhöfen des Umlands beerdigt wurden. Aber nur wenige Orte haben sich bisher in die Forschungsarbeit eingebracht.
In Ottendorf-Okrilla war unter anderem eine Verwundetenstation eingerichtet worden. 31 Dresdener starben in den Folgetagen des 13. Februar 1945 und wurden auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt, ihre Identitäten sind weitgehend geklärt. In Weixdorf wurden fünf Dresdener beigesetzt.
Überlastete Verwaltungen
Aus den anderen Orten sind zwar Fakten allgemeiner Natur bekannt, jedoch gab es bisher weder eine Behördenantwort, dem Ersuchen der Dresdener zu helfen, noch machte man sich aus Gründen von „Überlastung“ der Verwaltungen keine Mühe, in den eigenen Archiven nachzuforschen. Dass dies im Übrigen durchaus schwierig ist, unterstrich während der Tagung zum Beispiel Thomas Kübler vom Dresdener Stadtarchiv. Erst in jüngster Zeit konnte man anhand relevanter Akten verschiedener Ämter interessante Vergleiche anstellen. Weder über Kennzettel noch über den Vermisstennachweisdienst gibt es ausreichende Nachrichten. Fast 10 000 Todeserklärungen stellte die Deutsche Volkspolizei noch bis 1952 aus. Aber was wurde danach? Und auch in den Archiven in Radeberg, Arnsdorf, Wachau, Langebrück oder Ottendorf-Okrilla dürften noch weitere Angaben zu finden sein, denn der Gesamtkomplex bleibt wohl in jedem Falle weiter Gegenstand der Forschung.
Neben diesem Teil der historischen Untersuchungen sind auch die immer weniger werdenden Zeitzeugen gefragt. Hier geht es in erster Linie um Details, damit sich über ein daraus zusammen zu setzendes Puzzle schließlich doch noch ein Gesamtbild ergibt.
Mehr Zuarbeiten erwartet
Im Februar 2007 soll dann ein weiterer Arbeitsstand Auskunft über das rekonstruierte Geschehen geben. Vielleicht waren dann auch die Orte des Radeberger Landes kooperativer als bisher? Denn der Mythos Dresden ist schließlich auch im Rödertal allgegenwärtig.