Von Annett Weckebrod
Manchmal stellt sich Jörg Großer den Leuten als eine Art „ABV“ vor – der ehemalige Abschnittsbevollmächtigte aus DDR-Zeiten. Dass das nicht ganz zutrifft, weiß er auch. Die älteren Bürger allerdings, die diese Zeit noch gut in Erinnerung haben, freuen sich. „Darunter können sie sich etwas vorstellen“, sagt Jörg Großer.
Denn das neue Konzept des Bürgerpolizisten für die kleineren Ortschaften ist noch nicht bei allen angekommen. Deshalb ließ der Polizeiobermeister jetzt neben der Ankündigung seiner Sprechzeiten in den Gemeindeblättern gleichzeitig verlauten, dass er diese wieder einstellen wird, wenn niemand kommt. In Niedercunnersdorf werden die Sprechstunden des Bürgerpolizisten bereits rege wahrgenommen. Hier sind viele von Einbrüchen, Diebstählen und Sachbeschädigung betroffen. In Großschweidnitz und Lawalde dagegen sind die Sprechstunden eher weniger gut besucht.
Seit November 2011 ist der Bürgerpolizist nämlich nicht nur wie bisher für die Städte Löbau und Herrnhut zuständig, sondern auch für die umliegenden Dörfer. Dazu gehören Großschweidnitz, Obercunnersdorf, Niedercunnersdorf, Kottmarsdorf, die Ortsteile von Löbau und Lawalde sowie Großhennersdorf. Der Polizeiobermeister sieht es gelassen. „Besser ein Bürgerpolizist als gar keiner“, sagt er. Eine festgelegte Route, die er jeden Tag abarbeitet, hat er dabei nicht. Auch feste Einsatzzeiten gibt es keine. Das soll so sein. „Wenn ich jeden Tag die gleiche Strecke zur gleichen Zeit abarbeiten würde, könnten sich Ganoven ja darauf einstellen“, erklärt er. Und so taucht Großer mal dort, mal da auf. Am besten, wenn man ihn nicht erwartet.
Das erweiterte Einsatzgebiet von Jörg Großer ist Teil des neuen Polizeikonzeptes des Freistaates. Bis 2020 soll es umgesetzt sein. Ein Schwerpunkt ist unter anderem der Einsatz von Bürgerpolizisten auf den Dörfern. Sie sollen die Streifenfahrten der Polizei ergänzen und Ansprechpartner vor Ort sein.
Die bisher überwiegend anonyme Polizei bekommt ein Gesicht. In dem Fall das von Jörg Großer. Schon 30 Jahre arbeitet der 49-Jährige bei der Polizei, seit 2003 ist er Bürgerpolizist. Was er an seinem Job mag, sind die Abwechslung und die vielfältigen Aufgaben. Zum Beispiel versteht sich Großer als Bindeglied zwischen den Gemeindeverwaltungen, Ordnungsämtern, Bürgermeistern und dem Streifen- und Kriminaldienst der Polizei. Mit Bußgeldstellen ist er genauso im Gespräch wie mit dem Veterinäramt oder den Geschwindigkeitsüberwachern. Und natürlich mit den Bürgern. Wenn ihm etwa auffällt, dass jemand sein Auto mit laufendem Motor abstellt, um mal schnell in die Kaufhalle zu huschen, weist er denjenigen freundlich darauf hin, dass er es Dieben damit leicht macht. Die meisten Leute fühlen sich dann ertappt und reagieren genervt, erzählt Großer.
„Aber Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“, erklärt er seine Devise. Viel zu häufig fühlten sich Bürger durch seine Ermahnungen persönlich angegriffen. Dabei gehe es ihm nur um die Sache, versichert er. „Wenn jemand von mir eine Verwarnung bekommt, dann weil er sich verkehrswidrig verhalten hat.“ Abends in der Kneipe sollte, wenn es nach ihm ginge, das Ärgernis dann aber vergessen sein. Auch Freunde, Bekannte und Kollegen kann er nicht außen vor lassen. „Wenn ich jemanden erwische, der sich ordnungswidrig verhält, reagiere ich“, sagt Großer. Das komme allerdings nicht allzu häufig vor. Meistens ist es dann die Präventionsarbeit, die er leistet. Rentnern erklärt er beispielsweise, wie sie sich bei sogenannten „Haustürgeschäften“ verhalten sollen. Kindergärten und Schulen fragen meist nach Verkehrsunterricht und Tipps vom Profi. Das macht er allerdings nur in Ausnahmefällen und auf Anfrage, denn seine Hauptaufgabe sieht Jörg Großer in den Rundgängen vor Ort und den persönlichen Gesprächen mit Einwohnern.