Von Eva Jeschkova
Ob das mit Raritäten voll gestopfte Holzhaus die Fremden lockte oder sein origineller Bewohner – jahrelang pilgerten Touristen aus aller Welt zum so genannten „Misthaus“ in Jizerka (Klein Iser) im Isergebirge. Jetzt warten sie vergeblich auf Einlass: Hausbesitzer Gustav Ginzel leidet an ernsten gesundheitlichen Beschwerden und empfängt keine Besucher mehr.
Das Haus des 71-jährigen Globetrotters möchte in Zukunft nur die Familie nutzen. „Während der Sommersaison ist der Gustav dort, er lässt aber schon niemanden herein,“ sagt sein Bruder Wolfgang aus Jablonec nad Nisou (Gablonz). Gustav Ginzel stammt aus einer kinderreichen deutschen Familie. In den 60er Jahren kaufte er die Hütte, in der der Kuhmist bis zum Dach stand, für 350 Kronen. „Es war das beste Geschäft meines Lebens“, erinnert sich der Hausherr.
Odysseus wird zum Vorbild beim Hausputz
Den Mist entsorgte er wie einst der griechische Held Odysseus: mit Hilfe eines Bergbachs, den er kurzerhand durchs Haus leitete. Von seinem mit alten Möbeln, Fahnen, Wegweisern und Souvenirs voll gestopften Domizil reiste der gelernte Weber und studierte Geologe in die Welt. Die Zeit vor der Wende war nicht leicht für Ginzel. Wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ wurde er 1972 von einer Expedition nach Peru ausgeschlossen. Die Teilnehmer starben bei einem Erdbeben.
Auf Gustavs Kenntnisse und Beratung haben sich deutsche und tschechische Buchautoren berufen. Manche führte er bei Nacht, Frost und Nebel ohne Kompass kreuz und quer durch die Gegend. Touristen waren gewohnt, dass sein Haus immer offen war. Einmal übernachteten dort bei 30 Grad Frost 113 Menschen. Ginzel war ein unermüdlicher Erzähler witziger Geschichten aus fremden Ländern, gern sprach er auch über Lebensphilosophie und Politik. Von der tschechischen Öffentlichkeit erhielt er den Titel „Rappel des Jahres“. Als Gustav 1995 auf einer Reise in Australien war, brannte das „Misthaus“ ab. Der Rappel veranstaltete in der Umgebung, aber auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, eine Geldsammlung und ließ eine genaue Kopie des Misthauses aufbauen. Während der Bauepoche lebte er in einem Zirkuswagen. Auch im neuen Gebäude gibt es natürlich keine Wasser- und Stromleitungen, nur den Bergbach, der nach wie vor durchs Haus fließt. Eine Badewanne steht auf der Wiese hinter dem Haus, ebenso wie ein Stereoklo, auf dem zwei Menschen nebeneinander sitzen können.
Der Hausherr hat
nicht vorgesorgt
„Das Misthaus lockt die Touristen weiterhin an. Es ist sehr schade, dass Herr Ginzel es niemandem übergab, damit es erhalten bleibt,“ meint Petr Guth aus dem Infozentrum in Korenov (Wurzelsdorf). Allerdings sei das Haus ohne Gustav und seine originelle Erzählkunst nur eine einfache Berghütte, angefüllt mit undefinierbarem Krimskrams. „Klein Iser ohne Misthaus ist unvorstellbar“, findet Klaus Werner aus Dresden, der bereits vergebens an die Misthaustür klopfte. „Nach jedem Besuch konnten wir uns mit unseren Bekannten darüber unterhalten. Das Misthaus ist einfach ein ewiges Thema.“