Von Jörg Stock
Waltraud Kloth hatte sich entschlossen: Die alten Telefonrechnungen sollten weg. Auch die ausgedienten Versicherungsunterlagen und all die anderen Papiere, die einst wichtig waren und es jetzt nicht mehr sind. Doch wohin damit? In den Altpapiercontainer? Zu brenzlig wegen der persönlichen Daten. Ins Feuer? Kein Ofen da. Häckseln. „Ich habe so einen Kleinschredder“, sagt Frau Kloth. „Aber das sind ja ganze Ordner. Das ist zu viel!“
Die Freitalerin glaubt, dass viele Leute ihr Los teilen. „Seit der Wende muss man ja so viel aufheben“, sagt sie. Nicht nur alte Unterlagen gilt es loszuwerden. Werbebotschaften mit der eigenen Adresse liegen fast jeden Tag im Postkasten. Nicht gerne übergibt man die Kuverts einem ungewissen Schicksal.
Doch einen öffentlichen Reißwolf gibt es im Kreis nicht. Das sagt Dorothea Boldt, Sprecherin im Landratsamt. Die Kreisverwaltung selbst lässt alte Akten von einer Spezialfirma entsorgen. Die Schriftstücke werden in einen verschlossenen Container eingeworfen. „Wenn die Behälter voll sind, holt die Firma sie ab“, berichtet die Sprecherin. Seit zwei Jahren laufe das System in Dippoldiswalde zur Zufriedenheit. „Vorher hatten wir auch einen Schredder“, sagt Boldt. „Aber der war nicht effektiv genug.“
Auf die Effektivität seiner Aktenvernichtungsmaschine schwört indes Dietmar Nowak. Er ist Chef der GiNo Entsorgungs GmbH in Limbach und schickt dort unter anderem Akten aus dem Wilsdruffer Rathaus in den Orkus. „Die Papiere werden nach Sicherheitsstufe 3 zerkleinert“, erklärt Nowak. Es gibt vier Stufen, und die Endprodukte reichen vom großen Schnipsel bis zum Staub. Bei Stufe 3 bleiben nur millimetergroße Partikel übrig, die kein Puzzlemeister der Welt wieder zusammenlegen könnte.
Verbrennen verboten!
Die Schnipsel kriegt die Papierfabrik und der Auftraggeber ein Zertifikat. Das A 4-Blatt bezeugt, unter welchen Sicherheitsvorkehrungen und zu welchem Zeitpunkt seine Akten ihr Dasein beendeten. Zu Nowaks Kunden zählen nicht bloß öffentliche Verwaltungen. Auch Krankenhäuser, Schulen, Rechtsanwälte, Energieversorger und sogar kleine Banken lassen bei ihm schreddern. Auch der Normalbürger, so versichert Dietmar Nowak, könne seine Ordner zu ihm bringen. Die Mindestgebühr für kleine Papiermengen beträgt bei GiNo zehn Euro. Der Höchstpreis pro Tonne liegt bei 150 Euro.
Wer sensibles Material beseitigt, der muss über den Inhalt schweigen – so will es das hiesige Datenschutzgesetz. Als sensibel gilt jedoch nicht, was im Papiercontainer um die Ecke liegt. Werner Berger von der Schmiedeberger Niederlassung des Entsorgers Becker rät dringend davon ab, persönliche Unterlagen in die Behälter zu werfen. „Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften, die Container gegen fremden Zugriff zu schützen“, sagt er. Nach der Abholung kann das Papier noch durch einige Hände gehen, zum Beispiel bei der Sortierung. Werner Berger verbürgt sich aber für seine Mitarbeiter. „Da kann nichts passieren.“
Wer kein Geld für den Schredder übrig hat, der kann immer noch auf das Feuer als Mittel zum Zweck setzen. Doch das Umweltamt warnt. „Abfälle dürfen nicht verbrannt werden“, stellt Amtsleiter Rainer Frenzel klar. Gleichzeitig räumt er den Feuerstellenbesitzern eine kleine Grauzone ein. „Wer seinen Ofen mit Papier anfeuert, der betreibt damit sicher keine Abfallbeseitigung.“
Fazit: Dem Normalbürger bleibt nur, seine Papiere zu zerrupfen, zu schwärzen oder durch den selbstfinanzierten Reißwolf zu jagen und die Überbleibsel vertrauensvoll dem Container zu überantworten. Und wenn ein ordentlich entsorgter Adressaufkleber doch mal auf Abwege gerät, etwa in einen Müllsack im Wald, muss sich der Unschuldige nicht fürchten: Eine aufgefundene Adresse allein gilt laut Umweltamt nicht als Nachweis für illegale Abfallentsorgung.