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Der Retter von Markt 5

Rico Kleinhempel will das denkmalgeschützte Haus in Lommatzsch sanieren.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Lommatzsch. Diesmal wird es klappen. Ein Schandfleck am Markt in Lommatzsch verschwindet. Jahre, ja Jahrzehnte ist das denkmalgeschützte grüne Haus am Markt  5 das Sorgenkind der Stadt. Eine Immobilienfirma sah es wohl als Spekulationsobjekt, hoffte auf das große Geld, ließ die Immobilie verfallen. Der Markt 5 war ein Schandfleck in Lommatzsch inmitten zahlreicher sanierter Gebäude.

Vor allem die Gebäude im hinteren Teil des Grundstücks sind in einem verheerenden Zustand.
Vor allem die Gebäude im hinteren Teil des Grundstücks sind in einem verheerenden Zustand. © Claudia Hübschmann
Die Gebäude können nur noch abgerissen werden.
Die Gebäude können nur noch abgerissen werden. © Claudia Hübschmann

Vor zwei Jahren kam Hoffnung auf. Eine Unternehmerin aus Lommatzsch kaufte das Grundstück, wollte es sanieren. Doch der Plan scheiterte an der Finanzierung. Jetzt aber kommt Bewegung in die Sache. Rico Kleinhempel, Unternehmer aus Döbeln, hat den Markt 5 erworben. Der Geschäftsführer einer Dachdeckerfirma mit 43 Angestellten macht das , was ein Unternehmer machen muss: Er redet nicht viel, sondern unternimmt etwas. Bis August nächsten Jahres soll das Haus vollständig saniert und die Mieter eingezogen sein. Ihm schwebt ein medizinisches Versorgungszentrum vor. „Ob das so klappt, weiß ich aber nicht. Was die Mieter betrifft, bin ich für alle Anfragen offen“, sagt er. Fest stehe bisher, dass im Obergeschoss eine Tagespflege einziehen wird. Alles andere ist noch ungeklärt. Doch in spätestens acht Wochen sollen alle Mietverträge für das Haus unter Dach und Fach sein. „Das ist nötig, damit ich weiß, wer welche Räume in welcher Größe braucht“, so der Döbelner. Anfragen habe er bereits von mehreren Gewerbetreibenden. Sorgen, dass er das Haus nicht vermieten kann, macht er sich nicht, im Gegenteil. „Die Lage ist hervorragend, zentral in Lommatzsch. Wenn sich jemand in der Stadt ansiedeln will, dann hier im Zentrum“, sagt er.

Zwischen 700 und 800 Quadratmeter Gewerbefläche wird es in dem Haus künftig geben. Die kommt auch durch einen Anbau zustande. Dieser Neubau fällt natürlich nicht unter Denkmalschutz, deshalb kann dort ein Fahrstuhl eingebaut werden mit Verbindung zum Haupthaus. Ansonsten muss alles so hergestellt werden, wie es einmal war: Holzfußböden, Holzfenster, Treppen müssen erhalten werden, auch die grüne Farbe als Anstrich ist vorgeschrieben. Selbst das Pflaster vor dem Haus darf nicht geändert werden. Rico Kleinhempel stört das nicht: „Ich möchte den Charme dieses schönen Hauses erhalten.“ Änderungen wird es aber zum Beispiel am Eingang geben. Die drei Stufen fallen weg, das Haus kann künftig ebenerdig betreten werden, gut für ältere Leute.

Am liebsten möchte Rico Kleinhempel sofort loslegen, doch im Moment geht das noch nicht. Die Baugenehmigung, die den Vorgängern bereits erteilt wurde, muss verlängert werden. Noch im September sollen die Arbeiten beginnen, Dachstuhl und Dach sollen bis zum Winter fertig sein. Weil das Haus denkmalgeschützt ist, muss das Dach auch wieder mit Biberschwänzen gedeckt werden.

Insgesamt 1,3 Millionen Euro will der Unternehmer investieren. Davon werden rund eine halbe Million Euro an Fördermitteln fließen. Es ist nahezu die gesamte Städtebauförderung, die die Stadt Lommatzsch bis 2018 erhält. Als dies der Stadtrat beschloss, wollten die vorherigen Eigentümer das Haus dann doch wieder selbst sanieren. „Da hatte ich das Objekt schon abgeschrieben, obwohl ich schon ein halbes Jahr Arbeit reingesteckt hatte“, so der Unternehmer. Doch es kam anders. „Die Bürgermeisterin hat wahnsinnig viel Energie aufgewendet, um das möglich zu machen“, sagt er.

Erst nachdem der Stadt beschlossen hatte, die Fördermittel für das Haus zu verwenden, nahm Kleinhempel Kontakt mit den Eigentümern auf. „Für Außenstehende mag das eine immense Summe an Fördermitteln sein. Aber wenn man sieht, was hier alles gemacht werden muss, relativiert sich das Ganze“, sagt er. Mehr als 800 000 Euro muss er selbst aufbringen. Die Finanzierung sei gesichert.

Nebengebäude nicht zu retten

Auf die Idee ist Rico Kleinhempel durch die Apothekerin Eva Martius gekommen. Sie ist auch aus Döbeln, die beiden kennen sich. Im März war Rico Kleinhempel das erste Mal in dem Haus in Lommatzsch. „Ich war schockiert. So etwas hatte ich nicht erwartet“, sagt er. Und meint damit nicht das Haupthaus, sondern die Nebengebäude im Hinterhof, in denen bis Mitte der 90er Jahre noch Mieter wohnten. Hier sieht es fast aus wie nach einem Bombeneinschlag, die Dächer sind eingebrochen, alles ist verfallen. „Hier ist nichts mehr zu retten, da hilft nur noch Abriss“, sagt der Döbelner. Allein die Abrisskosten schätzt er auf 70 000 bis 100 000 Euro. Zweifel an seinem Vorhaben habe er jedoch nie gehabt. Schließlich sei das Haus, das Ende des 18. Jahrhunderts gebaut wurde, in der Grundsubstanz in einem guten Zustand.

Positiver Nebeneffekt: Die Tiefkeller, die sich unter dem Gebäude befinden, bleiben erhalten. Die Vorgänger wollten diese Keller, darunter auch den Schaukeller der Stadt, zuschütten, weil sie nach deren Ansicht beim Überfahren von Baufahrzeugen eingebrochen wären. Rico Kleinhempel hat nun einen anderen Weg gewählt: Er lässt die Keller derzeit sichern, damit genau das nicht passiert.

Bürgermeisterin Anita Maaß (FDP) ist sehr zufrieden. „Endlich verschwindet dieser Schandfleck. Leider waren uns die Hände gebunden, weil die Immobilie in Privatbesitz war“, sagt sie. Die Not war so groß, dass es schon Überlegungen gab, die Stadt solle das Grundstück kaufen und selbst mit Fördermitteln sanieren. Dies wäre aber nicht nur an den fehlenden Eigenmitteln gescheitert. Dieses Problem hat sich nun für die Stadt geklärt. Dafür nimmt sie in Kauf, dass die gesamte Städtebauförderung der nächsten Jahre in das Projekt fließt, die Gestaltung des Marktplatzes weiter warten muss.