Von Sebastian Martin und Matthias Weigel
Sie sind die Ersten am Unglücksort. Kurz nach dem katastrophalen Unfall in der Nacht zum Sonnabend auf der Autobahn 4 trifft der Rettungswagen des DRK Freital am Unglücksort ein. Ein polnischer Reisebus fuhr auf einen aus der Ukraine auf, geriet anschließend ins Schleudern, raste durch die Leitplanke und krachte mit einem entgegenkommenden Kleinbus zusammen. Es ist gegen zwei Uhr.
Den beiden aus Wilsdruff kommenden Einsatzkräften bietet sich ein Bild des Schreckens, als sie den zertrümmerten Kleinbus sehen. Dieser steht völlig zerquetscht auf der Fahrbahn. Einige Insassen hätten noch Lebenszeichen gegeben, sagt Eyk Klügel, Geschäftsführer des DRK-Rettungsdienstes Freital. Doch am Ende wird niemand den Unfall überleben. Nach Angaben der Polizei erlag gestern auch der letzte Insasse des Kleinbusses seinen schweren Verletzungen. Die Zahl der Todesopfer hat sich damit auf elf erhöht. 68 Menschen wurden verletzt.
Zehn von ihnen kamen ins Freitaler Krankenhaus. Die meisten waren nach SZ-Informationen auch gestern hier noch in medizinischer Betreuung. Die einzelnen Verletzungen seien sehr unterschiedlich, sie reichen von leichten bis hin zu schweren Verletzungen, die eine Operation und eine Behandlung auf der Intensivstation erfordern, teilt die Klinikleitung mit.
In der Unfallnacht griff für das Krankenhaus ein Notfallplan für solche Fälle – wo vom Personal bis hin zum Dolmetscher alles detailliert ausgearbeitet ist. „Ein Klinikum mit der Fächervielfalt und in der Größe muss in seiner Struktur und medizinisch-technischen Ausstattung auf solche Situationen immer entsprechend vorbereitet sein“, sagt Geschäftsführer Dirk Köcher. Seit Mitte 2012 sind die Helios Weißeritztal-Kliniken zudem zertifiziertes regionales Traumazentrum für die Behandlung von schwer verunfallten Patienten.
Auch der Rettungsdienst des DRK in Freital ist auf solch schwere Unfälle wie am vergangenen Wochenende vorbereitet. „Die Kollegen funktionieren“, sagt Geschäftsführer Eyk Klügel. Sie seien geschult im Umgang mit vielen Verletzten und wissen, wie sie vorgehen müssen.
Das haben auch die beiden Einsatzkräfte bewiesen, die am Sonnabend als Erste am Unfallort eintrafen. Dort haben sie zunächst die Lage erkundet und an die Rettungsleitstelle weitergegeben. Den nach dem Zusammenprall die Böschung herab gestürzten Reisebus aus Polen nahmen sie dabei erst beim zweiten Blick wahr. Weil sie den Hang ohnehin nicht heruntergekommen wären, kümmerten sie sich daher zunächst um den Kleinbus. Einen Insassen fuhren sie in ein Dresdner Krankenhaus.
Der ukrainische Botschafter kommt
Als Matthias Dittes vom Abschleppservice Sachsen aus Kesselsdorf gegen 4 Uhr am Unglücksort eintrifft, sind die Rettungskräfte immer noch vor Ort. Tote werden abtransportiert – Bilder, die er so schnell nicht vergessen wird. „Ich habe noch nie solch einen schweren Unfall gesehen“, sagt er. Um die Rettungskräfte nicht zu behindern und sich nicht psychisch zusätzlich zu belasten, hält Matthias Dittes in der Unglücksnacht viel Abstand zum Geschehen. „Man darf das nicht zu sehr an sich heranlassen“, sagt er. Es gelingt ihm aber nur teilweise. Zu krass sind die Bilder am Unglücksort. Aufgewühlt wird er zudem, als am Tag danach der abgeschleppte Bus aus der Ukraine am Firmensitz leer geräumt wird. Auch der ukrainische Botschafter ist nach Kesselsdorf gekommen. „Das Menschliche berührt immer, wenn die Angehörigen die Sachen rausräumen“, sagt Matthias Dittes.
Gleiches berichtet Axel Fröhlich, dessen Abschleppdienst den die Böschung hinabgestürzten Bus aus Polen abtransportierte. Auch für ihn war der Einsatz extrem. „In der ersten Nacht nach dem Unglück habe ich gar keine Ruhe gefunden“, sagt er. Genauso dürfte es seinen Mitarbeitern gegangen sein. Mit seinen Kollegen hat Axel Fröhlich bereits über die Erlebnisse gesprochen, um diese möglichst schnell zu verarbeiten. „Wir sitzen nach jedem Unfall zusammen, trinken einen Kaffee und reden, um den Druck abzubauen“, sagt er.
Frank Jurowiec ist froh, dass ihm das Verarbeiten diesmal erspart bleibt. Denn die Wilsdruffer Feuerwehr, die die A 4 in ihrem Abschnitt betreut, musste am vergangenen Sonnabend nicht ausrücken. Der Wehrleiter wird dennoch heute mit seinen Kameraden den verheerenden Unfall auswerten, wenn sie im Gerätehaus zusammensitzen.
„Ich habe von dem Unfall nur in den Medien erfahren und war erleichtert, dass das Ganze nicht bei uns geschehen ist“, sagt er. Für den Ernstfall sieht Frank Jurowiec seine Truppe aber gerüstet. Die Wilsdruffer Feuerwehr besitze die nötige Technik und die Kameraden seien gut ausgebildet. Dennoch würde sie solche Großeinsätze wie am vergangenen Sonnabend unmöglich allein stemmen können. Würde es zu einem ähnlichen Unfall bei Wilsdruff kommen, dann müssten auch die Dresdner Berufsfeuerwehr und die Kameraden aus den umliegenden Städten und Gemeinden ausrücken, sagt Frank Jurowiec.