Von Kathrin Schade
Wir sind so froh, dass wir mit dem Leben davon gekommen sind“, sagt Monika Gnadt. Die Riesaerin zählt mit zu den 45 Touristen aus Deutschland, die am Sonntag im Camp Mis Palafitos im Orinoko-Delta von Venezuela überfallen wurden. Trotz der Schreckensstunden wollen sie und ihr Mann den Urlaub dort nicht abbrechen. Denn schon lange hatte sich das Ehepaar aus Riesa auf die vier Wochen Urlaub gefreut: Eine zweiwöchige erlebnisreiche Rundreise durch Venezuela sowie zwei erholsame Wochen auf der Insel Margarita, das war ihr großer Traum. Allerdings hatten sich Monika (62) und Wilfried (63) Gnadt etwas anderes unter „erlebnisreich“ vorgestellt. Mit zittriger Stimme berichtete die Riesaerin gestern der SZ am Telefon, was geschehen war.
Gerade mal drei Tage am Ziel ihrer Träume, brach die Reisegruppe zu einer Bootsexkursion über den Orinoko-Fluss auf. Am Abend hatte sie ihr Lager in der Wildnis des Deltas aufgeschlagen. „Etwa 22.30 Uhr war’s, da drangen fünf bis sieben mit Gewehren und Pistolen bewaffnete, maskierte Banditen ins Camp ein. Sie überwältigten den Wächter und pferchten alle, sowohl Touristen als auch das Servicepersonal, mit vorgehaltener Waffe in die Haupthütte. Nicht nur ich hatte wahnsinnige Angst“, denkt Monika Gnadt mit Schrecken zurück. Den Männern sei befohlen worden, sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden zu legen. „Dabei misshandelten die Räuber einige von uns mit Schlägen und Fußtritten. Mehrfach schossen sie in die Luft. Es war ein entsetzliches Szenario“, berichtet Ehemann Wilfried weiter. Später mussten sich auch die Frauen mit den Gesicht nach unten auf den Fußboden legen. Im Anschluss raubten die Banditen alles, was nicht niet- und nagelfest war. Vornehmlich Geld, Schmuck, Handys, Uhren, Fotoapparate und Videokameras.
Ein Handy blieb unentdeckt
„Ich hatte Glück. Mein Handy hatten die Räuber nicht entdeckt. So dass ich Stunden später meinen Sohn in Riesa von diesem Überfall berichten und ihn beruhigen konnte, dass alles noch glimpflich abgelaufen ist“, erzählt die Mutter. Verrät aber gleichzeitig, dass die Situation im Camp brenzlig wurde, als sich die Eindringlinge an der Bar bedienten und ihren Durst mit Schnaps stillten. Wilfried Gnadt: „Unserem Reiseleiter Carlos ist es zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passierte. Umsichtig und mutig verhandelte er mit den Banditen.“ Drei Stunden später verließen die bewaffneten Gangster das Camp. Jedoch nicht, ohne die Benzinleitungen der Boote zu zerschneiden und die Funkgeräte zu zerstören. „Wir improvisierten“, sagt die Riesaerin. Aus Wasserschläuchen habe man Benzinleitungen für die Boote gebaut, und dank ihres Handys konnten sie nach weiteren Stunden und zahlreichen Versuchen die Nationalgarde von dem Überfall informieren.
Auf Margarita alles vergessen
Zwar habe man die deutschen Touristen daraufhin bestens umsorgt und auf die Insel Margarita gebracht, „doch wir hatten das Gefühl, dass die Behörden diesen Zwischenfall totschweigen wollten“, mutmaßt das Ehepaar. Tatsächlich warnt das Auswärtige Amt immer wieder vor der hohen Kriminalität und derartigen Überfällen.
Zwar sitzt der Schock noch immer in den Gliedern. Doch deshalb kommt für Gnadts ein vorzeitiger Abbruch der Reise nicht in Frage. Derzeit genießen Monika und Wilfried das Inselparadies auf Margarita und versuchen, die Schreckensstunden zu vergessen. Der besorgte Sohn Rajko (36) in Riesa: „Ich werde erst wieder ruhig schlafen können, wenn ich meine Eltern am 3. März am Dresdner Flughafen wieder gesund und munter in die Arme nehmen kann.“