Von Nicole Preuß
Der Künstler Sebastian Lachnitt hat kein Problem mit Fleischern. Im Gegenteil: Er arbeitet sogar dort, wo früher Schweinehälften baumelten. Im ehemaligen Nebenraum einer Metzgerei hat sich der 36-Jährige ein Atelier eingerichtet, zentral in Bad Schandaus Fußgängerzone, der Zaukenstraße. „Das Haus gehört meinen Eltern. Früher war hier die Bäckerei meines Großvaters drin, dann kam die Fleischerei“, sagt Lachnitt. An die Fleischer-Zeit erinnern weiße Kacheln und zwei Neonröhren.
Sonst hat Sebastian Lachnitt versucht, Gemütlichkeit in den Raum zu bekommen. Vor dem offenen Kamin steht ein Ledersofa, bedeckt mit ein paar Schaf-Fellen. Im Ofen knistert ein Feuer, Lachnitt hat angeheizt. „Ich frier ja nicht so schnell, ich hab genug Masse“, sagt er. „Aber ich dachte, für das Interview wär es gemütlicher.“ Lachnitts Füße stecken in Sandalen, sein Gesicht ist vom Vollbart halb bedeckt. Reden und still sitzen kann er nicht lange zusammen. Immer wieder steht er auf, um ein Skizzenbuch zu holen, seine Diplomarbeit zu suchen oder einfach einen Blick aus dem Fenster zu werfen.
Der Bad Schandauer ist Künstler. Wie seine Zukunft aussieht, macht er aber davon nicht abhängig. „Ich schau mal, was die kommenden Jahre bringen. Wenn ich irgendwann von der Kunst leben kann, ist es okay. Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm“, sagt er. Lachnitt hat mehrere Berufe gelernt. Als Maler und Lackierer arbeitete er zehn Jahre lang. Dann machte er sein Abitur und begann noch einmal ein Kunsttherapie-Studium. Bis dahin hatte er eigentlich nur gebastelt. Malen und Zeichnen gehörten nicht zu seinen Hobbys, gibt er zu.
Mit den Murmeln kam die Begeisterung für Kunst. Bei seinen ersten Bildern für das Studium in Nürtingen bei Stuttgart malten immer ein paar dieser kleinen Kugeln mit. Lachnitt hat sie in Farbe getunkt und über die Bilder laufen lassen. Mal eine Murmel, mal zehn, mal 20, oft waren es noch mehr. Dann folgten die Strichmännchen. An ihnen malt Lachnitt noch heute. Seine Diplomarbeit besteht aus 12174 Strichmännchen, die Lachnitt auf eine 400Meter lange Stoffbahn gemalt hat. Alle Figuren sind in verschiedenen Posen und Zusammensetzungen gezeichnet. Jede Figur erzählt eine eigene, meist sehr persönliche Geschichte. „Ich nehm diese Zeichnungen als eine Art Tagebuch“, sagt Lachnitt. Der Bad Schandauer hat eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, manchmal verwechselt er Buchstaben. Seine Lehrer stellten das erst fest, als er sein Abitur nachholte. Mit Zeichnungen könnte er sich besser ausdrücken als mit Texten, erklärt er.
Die theoretische Diplomarbeit war deshalb besonders schwierig. Trotzdem wird er seine Urkunde in absehbarer Zeit in der Hand halten. Dann möchte er sich Arbeit als Kunsttherapeut suchen. Am liebsten irgendwo in der Nähe, nicht so weit von Bad Schandau entfernt. „Es gibt Zugvögel und es gibt Leute, die hocken bleiben“, sagt er. Er gehöre zur zweiten Gruppe. Und außerdem wär es doch schön in seinem „Fleischer-Atelier“.
Zum Stadtfest in Bad Schandau stellt Sebastian Lachnitt von Freitag bis Sonntag in der Zaukenstraße 7 seine Bilder aus. Besucher können Freitag ab 18 Uhr, Sonnabend 11 Uhr und Sonntag 15 Uhr selbst bei ihm drucken.