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Der Sunnyboy

Der Journalist Marco Branig kandidiert als Rathauschef. Er will die Stadt attraktiver machen. Manche sehen in ihm aber auch einen Vertreter Wolfram Köhlers.

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Von Antje Becker

Kurze, helle Cargo-Hosen, blaues Poloshirt, barfuß. Marco Branig empfängt in seiner Riesaer Wohnung als Sunnyboy. Fast jungenhaft. Ein bisschen wie Leonardo DiCaprio vielleicht. Mit einem bubenhaften Grinsen bewegt er sich lässig auf den drei Etagen im Stadtzentrum. Groß, hell, grün, heimelig. Mit der Zigarette in der einen Hand und der Flasche Astra in der anderen steht er auf dem Balkon und verströmt Urlaubsfeeling. Mi casa es su casa. Es wird ein gemütlicher und kulinarisch anspruchsvoller Abend.

Gekonnt schneidet der 37-Jährige die Tomaten für die Bruschetta klein, bietet selbst gemachte Pfefferminzlimonade an, klopft die Lammschnitzel flach. Im Hintergrund singt Jack Johnson. Über den Flachbildschirm läuft eine Diashow mit Fotos von Freunden, Familie und vor allem Frau Claudia.

Journalist und Ehemann

Seit 15 Jahren sind die Inhaberin einer Modeboutique und CDU-Stadträtin und der Geschäftsführer von RiesaTV zusammen, seit zehn Jahren verheiratet. Es gehe bei ihnen „ekelhaft harmonisch“ zu, sagt Marco Branig. Selbst beim Kochen. Sie macht die kalte, er die warme Küche. Am liebsten traditionell wie bei Großmuttern.

Für das italienische Menü inklusive Risotto spickt der Hobbykoch völlig ungeniert in „Polettas Kochschule – Mein Grundkurs für Einsteiger“. Er gaukelt zwar keinen Gourmetkoch vor, neigt aber dennoch eindeutig zur gehobeneren Küche. Das nächste Starkbier wird allerdings trotzdem unkniggemäßig mit dem Brotmesser geöffnet. Die Entscheidung, als unabhängiger Oberbürgermeister für Riesa zu kandidieren, fiel wahrscheinlich auch bei einem der ausgiebigen Claudia-Marco-Essen. An der Dunstabzugshaube klebt Branigs blaues Wahlwerbe-Magnetschild: „Kein Mittelmaß für Riesa.“ 150 hat er anfertigen lassen. Eins klebt an seiner Vespa, eins im Büro auf der Bahnhofstraße. Mittlerweile hängen auch schon die blauen Plakate in der ganzen Stadt, mit zum Teil sehr populistischen Sprüchen, aber ohne Konterfei.

Sein Gesicht dürfte aber den meisten Riesaern eh aus dem Fernsehen bekannt sein. Als Journalist wahrte der gelernte Tischler und spätere Oberfeldwebel und Flugausrüstungsmeister bisher Neutralität. Doch jetzt will er – der sich einmal als CDU-nahe-stehend beschrieb – seine Meinung auch öffentlich äußern und was bewegen in seiner Heimatstadt, Riesa voranbringen, damit sich auch jüngere Generationen wie die seine hier wohlfühlen und hier bleiben. Man müsse Parteigrenzen sprengen, damit die Stadt nicht ausblutet, sagt er.

Kritik an Kandidatur

Dass das nicht so einfach ist in einer Stadt mit oft parteitreuer Cliquenbildung, musste Branig bereits lernen. Seit der Veröffentlichung seiner Absicht, gegen die CDU-Kandidatin und aktuelle Oberbürgermeisterin Gerti Töpfer zu kandidieren und ihr womöglich Stimmen abzuluchsen, bläst ein kräftiger Gegenwind, es hagelt zum Teil hämische Kritik an den vermeintlichen (Un-)Fähigkeiten Branigs, Freunde und Bekannte wandten sich ab. Darüber jammern will er zwar nicht, dass es ihn verletzt, ist ihm allerdings anzuhören. Sein ungewohnt steifer Kommentar dazu: „20 Jahre nach der friedlichen Revolution bin ich enttäuscht über das Demokratieverständnis einiger – und auch einiger enger Freunde.“

Trotzdem glaubt Marco Branig daran, die Wahl tatsächlich gewinnen zu können und betont, dass die Kandidatur nicht nur ein Ego-Trip sei, ausgelöst durch seinen Kumpel und Ex-OB Wolfram Köhler. Warum er gerade jetzt kandidiert? Weil ihn die politische Situation in Riesa eben jetzt nervt. Mit vielen Gesprächen will er in den kommenden Tagen deshalb vor allem auch die bisherigen Nichtwähler aktivieren. Ein offener Typ ist er sowieso. Politikerfloskeln hört man bei ihm selten, allerdings auch nicht allzu oft klare Statements zu konkreten Problemen in der Stadt. Lieber spricht Marco Branig dagegen von seiner Kindheit in Riesa, von den vielen Stunden auf dem Canitzer Flugplatz, von seinen Großvätern – einer Schriftsetzer beim Riesaer Tageblatt, der andere Tischler – und seinen Bundeswehr-Monaten im Kosovo.

Handicap 54

Seine Biographie ist alles andere als geradlinig, aber durchaus authentisch. Genau wie seine Hobbys. Golfen – Handicap 54 -- gehört dazu, eher Lesen als Fernsehen, und natürlich Labrador-Hündin Lulu. In der neu eingerichteten Wahl-Zentrale im Erdgeschoss des Hauses steht zudem ein Kicker neben einladenden Polstermöbeln. Hier kann man sich nach dem üppigen Abendessen noch mal austoben und dem Hausherren dann doch die eine oder andere angestrengtere Miene entlocken. Am Herd bewegt der sich eindeutig geübter.

Ob er nun Riesas Chefkoch wird, entscheidet sich am 22. August. Seinen Journalistenjob müsste er dann allerdings an den Nagel hängen. Marco Branig beschreibt den mit „warm, trocken, und es ist ja auch kein Steinbruch“. Das wäre der Rathausposten wohl auch.

Die SZ stellt die Oberbürgermeisterkandidaten vor. Am Donnerstag: Uta Knebel (Die Linke).