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Der Trampelpfad im Ohr

Piano bitte! Am heutigen„Tag gegen Lärm“ soll Krach und KonsortenEinhalt geboten werden.

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Von Jörg Stock

Kennen Sie das auch? Sie sitzen im Bus und der Dreikäsehoch nebenan beschallt den ganzen Wagen, obwohl er doch nur zwei kleine Knöpfe im Ohr hat. Eine Schmerzgrenze scheint der Musikfan nicht zu kennen.

Doch das Ohr nimmt Schall-Attacken übel, wenn auch nicht gleich. Birgit Kahl, Chefin bei Hörgeräte-Kahl in Freital, findet eine plastische Erklärung. „Der Gehörsinn ist wie ein Rasen“, sagt sie. Wenn mal jemand drüber stapfe – nicht so schlimm. „Aber falls das andauernd passiert, gibt das einen Trampelpfad.“ Ein Rasen kann wieder wachsen. Die Haarzellen im Ohr aber sind für immer ruiniert.

Zum Vorbeugen und Aufklären soll der heutige internationale „Tag gegen Lärm“ eine Bühne abgeben. In Deutschland wird er zum siebten Mal begangen. Auch im Weißeritzkreis gibt es Aktionen. Eine davon startet die Landesstiftung Natur und Umwelt. Sie schickt ihre Umweltmobile an die Schulen. Die Autos, vollgestopft mit moderner Technik, sollen den Jugendlichen die Umtriebe von Krach und Konsorten erklären.

Eva-Maria Muelenz gehört zur Besatzung und ist heute in den Mittelschulen Dipps und Reinholdshain im Einsatz. „Die Schüler kriegen Geräte in die Hand, mit denen sie Lärmpegel an verschiedenen Orten messen können“, erklärt die Fachfrau. Die Mikros werden zum Beispiel auf Straßen gerichtet oder auf den eigenen Discman. Selbst die dozierende Stimme des Lehrers ist nicht gefeit vor der Prüfung. Die Ergebnisse, so berichtet die Frau vom Umweltmobil, überraschen die Schüler regelmäßig. „Meist liegen die Geräuschpegel zumindest im Belastungsbereich“, sagt sie. Das heißt oberhalb von 50 Dezibel.

Aus Diskoboxen und Konzertlautsprechern pfeift aber oft ein viel heftigerer Wind. Und die Schüler wissen: Pfeifgeräusche im Ohr nach durchtanzter Nacht sind kein gutes Zeichen. Doch der Misston verschwindet oft wieder. Eva-Maria Muelenz und ihre Kollegen können zwar vor Spätschäden warnen und vor der Endstation Hörgerät. „Aber solche Argumente werden nur sehr schwer akzeptiert“, sagt sie. Trotzdem hoffen die Umweltmobilisten, wenigstens einen Teil der Jugendlichen zum Nachdenken zu bringen.

Einen Trend, der Mut macht, beobachtet Birgit Kahl, die Hörgeräteakustiker-Meisterin. „Immer mehr Jugendliche fragen bei uns nach Gehörschutz“, stellt sie fest. Einfache Schutzstopfen milderten den Schalldruck bereits um bis zu 25 Dezibel und kosteten nur ein paar Cent. Wer mehr Sicherheit und Komfort wolle, der könne auch eine Maßanfertigung bekommen. Dazu braucht man allerdings das nötige „Kleingeld“.

Neben den Ohrenstöpseln empfiehlt die Expertin vor allem Ruhe für die Lauscher. Nach sechs Stunden Disko seien vier bis fünf Tage Abstinenz vom Tanztempel angebracht. Wer Zweifel an der Qualität seines „Rasens“ im Ohr hat, kann ihn beim nächsten Hörgeräteakustiker kostenfrei testen lassen.