Von Lars Radau
Es war ein warmer, sonniger Montag, als es für den Star der Leipziger Frühjahrsmesse 1964 ernst wurde. Schon im März hatte der VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau unter dem Doppel-M seine neueste Entwicklung präsentiert: einen neuen Trabant, der zwar noch auf der Bodengruppe seines Vorgängers stand, aber eine neue Karosserie verpasst bekommen hatte.
Mit ihr wirkte das kleine Auto fortan nicht mehr ganz so rund. Am Heck hatten die Designer sogar so viel Mut bewiesen, dass es kleine Andeutungen der damals vor allem in den USA beliebten Heckflossen gab – der Typ 601 war geboren. Er war 18 Zentimeter länger, aber fünf Kilo leichter als sein Vorgänger. Mit rund 150 Vorserien-Modellen hatten die Zwickauer Ingenieure das neue Auto und die umgebauten Montagestraßen auf Herz und Nieren getestet. So konnte am 1. Juni 1964, also vor 50 Jahren, die Serienproduktion starten.
Das geschah ohne größeres Brimborium – denn ursprünglich hatte man sich in Zwickau darauf eingestellt, das Modell gar nicht allzu lange zu bauen. Die Limousine, zu der sich ein Jahr später die Kombivariante „Trabant 601 universal“ gesellte, sollte bereits Anfang der Siebziger durch einen Nachfolger abgelöst werden.
Dabei war der 601 zum Start durchaus auf der Höhe der Zeit: Gelobt wurden der geräumige Innenraum, die großen Fensterflächen sowie das stimmige, dem Geschmack der Zeit entsprechende Design. Auch der Motor, mit 23 PS und ab 1969 dann 26 PS zwar kein Energiebündel, war damals kleinwagentypisch und zeitgemäß. Mit der auf Wunsch verfügbaren halbautomatischen Kupplung „Hycomat“ und dem Ladevolumen von immerhin 1400 Litern, das der „Universal“ bei umgeklappter Rückbank bot, machte der Trabant sogar West-Wettbewerbern etwas vor.
Das galt zumindest zum Produktionsstart des 601 auch noch für das grundlegende Bauprinzip der Trabant-Familie, die 1957 mit dem P50 gestartet war: Weil Blech knapp war, behalf man sich mit Duroplast, einer Kombination aus Baumwollfasern und Kunststoff. Auf eine Faserlage kamen Phenolharzteilchen, darauf wieder eine Lage Fasern und so weiter. Insgesamt sollen es fünf Lagen Baumwollfasern gewesen sein. Am Ende wurde das Ganze mit Hitze in Form gepresst – und fertig war das Karosserieteil, das auf dem Metallgerippe befestigt wurde. Dieses Prinzip brachte schon dem Urahn P50 im Volksmund die spöttische Bezeichnung „Rennpappe“ ein, die auch der 601 dann zu tragen hatte.
Der ab 1968 langsam Konturen annehmende 601-Nachfolger hätte Experten zufolge sogar mit einer Blech-Karosserie aufwarten sollen. Doch die weit fortgeschrittene Entwicklung wurde – angeblich auf Geheiß des SED-Politbüros – gestoppt. Auch weitere Projekte in den 70ern verliefen im Sande, da sie politisch nicht gewollt und wirtschaftlich schwer zu realisieren waren – wie der Prototyp P 603, der bereits das revolutionäre Karosserie-Konzept des späteren VW Golf vorwegnahm.
Im Rahmen der Möglichkeiten
Stattdessen wurde der Trabant 601 im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten weiterentwickelt und erhielt eine elektrische Scheibenwaschanlage (1977), Zweikreis-Bremsanlage (1980) sowie eine elektronische Zündanlage (1984). Insgesamt notierte man bis 1988 genau 17 solcher „Verbesserungen“. Mittlerweile war das einst konkurrenzfähige Auto, auf das man zeitweise mehr als zehn Jahre warten musste, allerdings hoffnungslos veraltet.
Da nützte es wenig, dass die DDR in VW-Lizenz einen Vierzylinder-Viertakt-Motor baute, der ab 1989 in Wartburg und Trabant zum Einsatz kommen sollte. Denn das Ende der DDR überholte den treuen Begleiter: Die Viertakter waren spätestens nach der Währungsunion nicht mehr gefragt – mit ihrer Produktionseinstellung Ende April 1991 endete die Geschichte der Trabant-Familie nach mehr als drei Millionen gebauten Exemplaren.
Heute sind nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg noch rund 25.000 Trabant 601 registriert, davon rund 8.000 in Sachsen. Fanklubs gibt es auch im Westen. Neben einem oft augenzwinkernden Umgang mit der Historie des Autos gehören in der Szene das Selbst-Hand-Anlegen an den Trabant und die gegenseitige Hilfe dazu. Dabei erweist sich die einfache Konstruktion noch 50 Jahre nach dem Serienanlauf als Vorteil. An Ersatzteilen mangelt es nicht – viele Fans besitzen noch einen oder zwei Ersatzteilspender. Und gut erhaltene oder gut aufgearbeitete Exemplare des 601 werden durchaus für ein paar Tausend Euro gehandelt.