Von Anna Hoben
Berlin war ihm nicht gut genug. Sechs Krankenhäuser hatte Horst Strübing dort abgeklappert, keines hatte ihm zugesagt. Schließlich bekam er die Empfehlung, sich in Radebeul im Elblandklinikum vorzustellen, genauer gesagt: bei dem Kniespezialisten Dr. Axel Ripp.
Horst Strübing, 66, Sportjournalist im Ruhestand aus Mittenwalde in Brandenburg, hatte ein Problem: Sein linkes Knie spielte nicht mehr mit. Eigentlich hatte er sich schon die letzten zehn Jahre über gequält. „Es war eine endlose Geschichte“, sagt er. Strübing ist ein begeisterter Sportler. Er spielt Fußball, Tennis und Golf, fährt im Sommer Rad und im Winter Ski. Auf Sport verzichten kam nicht infrage – trotz aller Beschwerden. Lieber nahm er es auf sich, dass er jedes Jahr nach dem Winterurlaub spezielle Gymnastik machen und Wasser aus dem Knie entfernen lassen musste. Doch irgendwann ging es nicht mehr – Strübing brauchte Rat.
Er fand ihn in Radebeul. Axel Ripp, 58, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Spezialist für Kniegelenke, hatte eine Methode: die sogenannte patientenspezifische totale Knieendoprothese – ein neues Knie. Die Prothese mit dem sperrigen Namen ist in Wirklichkeit eine geniale Sache. Denn: Jedes Jahr werden in Deutschland 170 000 Knieprothesen eingesetzt – der Großteil davon ist vorgefertigt. Diese „Prothesen von der Stange“, wie Axel Ripp sie nennt, haben einen Nachteil, erklärt der Chefarzt: „Jeder fünfte Patient hat nach der Operation Probleme damit.“ Das kann daran liegen, dass Patienten zu schnell wieder loslegen, wie in dem Fall eines Patienten, der nach drei Wochen erneut in der Klinik vorstellig wurde, weil er sich keine ordentliche Pause gegönnt hatte. Das kann aber auch daran liegen, dass jedes Knie anders ist – und die gewöhnlichen Prothesen sich nur ungefähr dem natürlichen Gelenk annähern.
Deshalb plädiert Axel Ripp für das patientenspezifische Kniegelenk. Es wird individuell gefertigt und passt sich exakt an. „Das ist wie beim Zahnarzt“, sagt der Orthopäde. „Der stellt die Inlays schließlich auch mithilfe eines Abdrucks von den Zähnen her.“ Und so funktioniert das Prinzip der individuellen Prothese: Mittels Computertomografie werden Bilder von Knie, Hüfte und Sprunggelenk erstellt, sie helfen, die Achse exakt auszurichten. Die Bilder werden nach Boston geschickt. Innerhalb kürzester Zeit entsteht dort am Computer ein 3-D-Modell des Kniegelenkes. Daran wird die Prothese geplant, einschließlich der patientenspezifischen Instrumente. Anschließend wird das Implantat gefertigt, zusammen mit den benötigten Werkzeugen und Schnittschablonen für die Operation. In einer Art Fertigbaukasten werden die Teile dann verschickt und treffen sechs Wochen nach der Bestellung in Radebeul ein.
Am 5. Dezember 2012 wurde Horst Strübing operiert. Ungefähr 80 Minuten dauerte der Eingriff. Im Nachhinein ist Strübing erstaunt, als er das hört. „Ich dachte, das habe viel länger gedauert“, sagt der 66-Jährige. Die Operation ist Millimeterarbeit. „Pinzette, Messer und Messschieber sind die wichtigsten Instrumente“, sagt Axel Ripp. Da wird gebohrt und gesägt, und da kann es eben auch mal sein, dass der Arzt genau 8,2 Millimeter vom Oberschenkelknochen wegschneiden muss.
Doch der Aufwand lohnt sich. Fünf Tage nach dem Eingriff konnte Horst Strübing das Krankenhaus verlassen. Heute ist er mit dem Ergebnis höchst zufrieden. „Ich spüre die Prothese gar nicht, außer beim Duschen, wenn es kalt wird am Bein.“ Er kann heute wieder Sport machen und mit seinem 13-jährigen Enkel Fußball spielen. Er kann sogar wieder auf den Knien das Parkett wischen, wie seine Frau schmunzelnd verrät. Außerdem ist er die X-Bein-Stellung los, die sich in den zehn Jahren der Beschwerden entwickelt hatte. Jetzt ist das Bein wieder schön gerade.
Seit 1998 gibt es die patientenspezifischen Implantate – damals wurden jedoch nur Teile des Knies so ersetzt. 2011 war Axel Ripp einer der Ersten in Deutschland, der diese Methode anwandte. Ärzte aus aller Welt kommen heute nach Radebeul, um von seiner Expertise zu profitieren.
Seine Mutter, sie war Krankenschwester, brachte Axel Ripp früh mit dem Krankenhaus in Berührung. In den 70er-Jahren studierte er Medizin in Berlin und Dresden, dann kam er nach Radebeul – und blieb. Seit 33 Jahren arbeitet der Vater von zwei Töchtern und Opa von Zwillingsmädchen im heutigen Elblandklinikum. 1993 übernahm er die Leitung der Unfallchirurgie und baute Stück für Stück unter anderem die Endoprothetik auf, also die Chirurgie mit Implantaten, die Gelenke ersetzen.
Doch Vorsicht: „Operieren sollte man erst, wenn es nicht mehr anders geht“, sagt Ripp. Er macht seinen Patienten immer klar: Es kann nach einem Eingriff Komplikationen geben, und ein künstliches Gelenk ist eben nur ein Ersatz. Horst Strübing hat Jahre gewartet mit der Operation – und er ist glücklich mit seinem Ersatz. Wie möglicherweise bald auch ein Dutzend anderer Patienten. Die Baukästen für deren neue Knie stehen schon in Dr. Ripps Regal.