„Der Verkehrskollaps ist programmiert“

Meißen. Der geplante Ausbau der Plossenauffahrt und die damit verbundenen Verkehrseinschränkungen beschäftigen die Meißner weiterhin intensiv. Händler Norman Heinert verweist auf die unabsehbaren Folgen, die eine Vollsperrung haben könnte, wenn sie mit den Arbeiten an der Autobahn zusammenfallen sollte.
Herr Heinert, wie haben Sie den Informationsabend zu den Plossen-Umleitungen im Ratssaal erlebt?
Es war schon eine sehr taktisch geprägte Veranstaltung, in der den Betroffenen in Lercha eine Mitarbeit bei der Festlegung der Umleitungsstrecke angeboten wurde. Verabsäumt wurde allerdings die Frage grundlegend zu beantworten, warum überhaupt diese drei Umleitungen nötig werden und was insgesamt auf die Bürger zukommt.
Spätestens als die Bilder mit dem quergestellten Bagger, den Rissen in den Mauern und den Senkungen in der Straße, die bestimmt nicht durch Pkw entstanden sind, den Beweis liefern sollten, dass es zur Vollsperrung keine Alternative gibt, wäre es Zeit gewesen, den Saal zu verlassen.
Weshalb das?
Es blieb noch eine zweite Frage offen: Nämlich, warum man nicht mit Ingenieurbüros, Spezialisten und Spezialfirmen aus europäischen Gebirgsregionen zusammengearbeitet hat. Warum ist darüber hinausgehend nicht mit den Plossenbewohnern gesprochen worden, ob ein Fuß- beziehungsweise Radweg von der Plossenkurve zu den Lämmerstufen überhaupt notwendig ist ?

Welche Folgen erwarten Sie für Einwohner vor Ort, sollte die Auffahrt während der mindestens zwei Jahre Bauzeit komplett gesperrt werden?
Ein Bürger auf dem Plossen, der zur Arbeit mit dem Pkw nach oder durch Meißen fahren muss, fährt über zehn Kilometer mehr aufgrund der Umleitungsstraßen. Hochgerechnet sind das 300 Kilometer oder mehr pro Monat, einschließlich der Einkäufe im Supermarkt sowie der Touren zum Baumarkt, Schwimmbad etc.
Bei einer Bauzeit von über zwei Jahren dürfte sich das auf über 1.000 Euro Treibstoffgeld belaufen – für viele ein Monatsnettogehalt. Dann kommt noch der zeitliche Aufwand zur Rushhour, da nicht nur die 1.600 Autos vom Plossen die Umleitungen nutzen, wie uns der Leiter der Meißner Niederlassung des Landesstraßenbauamtes Holger Wohsmann weismachen wollte. Die anderen Gemeinden nutzen die Strecken ebenfalls und kein Ullendorfer fährt über den Schachtberg, um ins Kaufland zu kommen.
Und dann gibt es ja noch ältere Meißner, die nicht über ein Auto verfügen ...
Ja, Oma Anna wird sich eine Taxifahrt nicht mehr leisten können, und auf den Handwerkerrechnungen stehen entsprechende Anfahrtskosten. Und die Polenzer werden sich freuen, wenn auf einer bisher relativ ruhigen Dorfstraße täglich tausende Fahrzeuge vorbeirauschen, vorausgesetzt es schneit nicht, denn in diesem Fall ist der Polenzer Berg trotz Winterdienst sowieso zu und Meißen nicht mehr erreichbar.
Was könnten aus Ihrer Sicht die Konsequenzen für Meißens Altstadt sein?
Die Meißner Gewerbetreibenden, wie die verbliebenen Einzelhändler, Gastronomen etc., werden merkliche Umsatzeinbußen erleiden, wenn ein ganzer Stadtteil Plossen sich rar macht, und die Kunden aus Freital, Pirna, Wilsdruff, Dresden, Tschechien ausbleiben. Der Elbepark lässt grüßen.
Das Verkehrs- und Baugeschehen auf den Autobahnen dürfte sich ebenfalls auf die Umleitungsstrecken auswirken.
Fakt ist, dass sich das Verkehrsaufkommen auf der A4, wie in der SZ berichtet, in den letzten 15 Jahren um 30 Prozent erhöht hat. Nach amtlichen Angaben wird es sich in den nächsten fünf bis acht Jahren noch einmal um 25 Prozent erhöhen. Da man diese Entwicklung anscheinend verschlafen hat, plant man erst jetzt den A 4-Ausbau für 2028 und 2029, vierspurig. Das heißt, in der jahrelangen Bauphase geht es jeweils nur mit zwei Richtungsfahrbahnen, eine für Lkw und eine für Pkw über die Autobahn. Unvorstellbar.
Der Verkehr wird sich also Ausweichstrecken suchen.
Richtig. Das wird unter anderem die B 101 auf der Strecke von der A 14 bei Nossen in Richtung Meißen und dort weiter auf die B 6 oder zum Flughafen bzw. nach Radeburg sein. Und natürlich wird vom Ausweichverkehr aus Richtung der A 4 bei Wilsdruff auch die S 177 nach Meißen und darüber hinaus genutzt werden. Die Straße wird von Wilsdruff bis Ullendorf dafür grundlegend saniert.
Der Verkehrskollaps in der Stadt, nicht zuletzt 2029 zu den Feierlichkeiten zum 1.100 Gründungsjubiläum, ist vorprogrammiert. Und das betrifft nun mal mehr Menschen als nur die Plossen-Einwohner, die bei einer halbseitigen Sperrung bestimmt kein Problem hätten, falls es doch mal zu einer kurzzeitigen Komplettsperrung kommen sollte.
Übrigens hat es vor zehn Jahr schon einmal eine Tonnagebegrenzung auf 7,5 Tonnen am Plossen gegeben. Ganz ohne Probleme. Ausnahmen gab es nur für hiesige Unternehmen sowie Entsorgungsfahrzeuge etc.
Die Fragen formulierte Peter Anderson.
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