Von Thomas Christmann
Sie hat sich diesen Schritt wohl überlegt. „Es ist faszinierend, welche Kraft einem der christliche Glaube geben kann“, sagt Tina Hentschel. Das Vertrauen in Gott nehme einem nicht die Verantwortung fürs eigene Leben, sondern gebe die Fähigkeit, es selbstbestimmt für sich und andere zu gestalten, erklärt sie. Ihren Glauben will die 25-Jährige offiziell zum Teil ihres Lebens machen und sich in der Olbersdorfer Kirche taufen lassen, obwohl die Gemeinderätin keine christliche Erziehung hatte.
Die entscheidenden Erlebnisse für diesen Entschluss liegen länger zurück. Tina Hentschel hatte 2004 ein Auslandsjahr in den USA verbracht. Dort wohnte sie bei einer christlichen Familie, die in armen Verhältnissen lebte. Eine neue Erfahrung für die damalige Sportschülerin, fehlte es ihr doch in Deutschland an nichts. Der Gastvater war immer wieder arbeitslos, hatte psychische Probleme, seine Frau verdiente nur wenig, die Söhne wuchsen in einem kriminellen Umfeld auf. Trotz alledem seien sie füreinander dagewesen, behielten die Hoffnung und das Vertrauen in Gott und sich selbst, sagt Tina Hentschel. Jeden Sonntag ging die Familie in die Kirche, wobei die Gottesdienste auch für Nicht-Christen gestaltet gewesen sind. Neben ersten persönlichen Erlebnissen mit dem Glauben habe sie schätzen gelernt, was ihre Familie vor allem finanziell ermöglichte, sagt die Olbersdorferin. Das Engagement für andere sei ihr nach der Zeit wichtig geworden.
So hat Tina Hentschel beispielsweise 2005 die Aktion „Weihnachtslächeln“ mit ins Leben gerufen. Seither besuchen die Mitglieder der Jungen Union alle Mädchen und Jungen, die die Festtage in Krankenhäusern und Kinderheimen verbringen müssen. Mit der Geburt ihrer Tochter Dorothea im Januar 2012 kam hinzu, als Elternteil Verantwortung zu übernehmen. „Man wird sich der Dinge im Leben bewusst, die einem wichtig sind“, sagt sie. Die Taufe mit ihrer Tochter Dorothea, die nach christlichen Werten wie Ehrlichkeit und Rücksichtnahme als Grundlage des Zusammenlebens erzogen werden soll, ist für sie ein Höhepunkt des Glaubensbekenntnisses.
Vor allem Ostern sei eine Zeit, in der sich viele Menschen taufen lassen, berichtet Annette Kalettka, Pfarrerin der evangelischen Kirchgemeinde Olbersdorf und Lückendorf/Oybin. Schließlich soll Jesus in der Nacht zu Ostersonntag wieder auferstanden sein. Ob die Geburt eines Kindes oder Veränderungen im Leben – auch die Taufe steht für einen Neubeginn. Die Motivationen dazu seien unterschiedlich, sagt Annette Kalettka. Während sich Eltern wünschen würden, den Segen und einen schützenswerten Begleiter für ihr Kind zu haben, suchen Erwachsene nach Halt und Gemeinschaft. Es gebe einen Trend zur Spiritualität, sagt die Pfarrerin. Doch die Entscheidung zur Taufe müsse erst reifen, der Hintergrund bekannt sein, was das auch bedeute. Das braucht seine Zeit, Gespräche sind nötig. Alles andere sei wie ein zu früh gepflückter Apfel, der dann nicht schmecke, sagt Annette Kalettka. Die Kirchgemeinde kommt übers Jahr auf rund 20 Taufen, Ostern ist fast immer dabei. Doch die Kirchenaustritte seien immer noch etwas höher, berichtet sie, vor allem bedingt durch Sterbefälle. Aber auch finanzielle Gründe, Wegzüge und religiöse Neuorientierung würden dort eine Rolle spielen, sagt sie.
Ähnlich beschreibt das Pfarrer Christian Mai von der Kirchgemeinde Jonsdorf, die auch für Bertsdorf zuständig ist. Dieses Ostern hat er gleich drei von durchschnittlich zwölf Taufen im Jahr. Die Zahl steige sogar wieder, sagt er. In einer Zeit, in der vieles im Fluss sei, würden sich die Menschen wieder an etwas festhalten wollen, erklärt Christian Mai die Motivation. In der Kirchgemeinde Hainewalde, zu der auch Hörnitz zählt, gibt es dieses Jahr zwei Taufen zu Ostern. Das sei ein schönes Datum, aber in der Regel hänge es von der Zeit ab, sagt Pfarrerin Christiane Zitzkat. Zu jeder Taufe werden im Ort die Glocken geläutet, aus Tradition.
So will Tina Hentschel sich und ihre Tochter erst im Juni taufen lassen, weil sie durch Gespräche mit der Pfarrerin noch etwas das Christentum lernen und kennenlernen möchte „Ich bin gespannt auf das, was kommt“, sagt sie.