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Die emotionale Absage des Weltmeisters

Speerwerfer Johannes Vetter muss kurzfristig auf den Start in Dresden verzichten. Er schließt auch mit einem alten Streit ab.

Von Alexander Hiller & Timotheus Eimert
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Sein bislang größter Triumph: Der Dresdner Johannes Vetter wurde 2017 in London Weltmeister im Speerwerfen. Zwei Jahre später gewann er nochmals Bronze. Nun hat er für Olympia in Tokio nur ein Ziel: Gold.
Sein bislang größter Triumph: Der Dresdner Johannes Vetter wurde 2017 in London Weltmeister im Speerwerfen. Zwei Jahre später gewann er nochmals Bronze. Nun hat er für Olympia in Tokio nur ein Ziel: Gold. © dpa/Rainer Jensen

Dresden. Es hätte ein ganz besonderer, sein emotionaler Saisoneinstand unter außergewöhnlichen Bedingungen werden sollen. Johannes Vetter, der Speerwurf-Weltmeister von 2017 und gebürtige Dresdner, wollte am Freitag bei seiner Rückkehr in die Heimat für Furore sorgen. Eine neue Weltjahresbestweite hatte er sich für das Abendsportfest des Dresdner SC im Heinz-Steyer-Stadion vorgenommen. Doch daraus wird nun erst einmal nichts.

Der 27-Jährige musste den Organisatoren kurzfristig absagen. Ein noch nicht komplett ausgeheilter Muskelfaserriss am Ellenbogen des rechten Wurfarms verhindert seinen Start in jenem Stadion, wo er seine ersten Würfe gesetzt hatte, ehe er als hochbegabtes, aber unterschätztes Talent 2014 nach Offenburg ging. „Meine Absage für Dresden ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, weil der Start bei den deutschen Meisterschaften vorgeht“, erklärt Vetter.

Ein Muskelfaserriss braucht seine Zeit

Die Titelkämpfe in Braunschweig sind auf den 8. und 9. August verschoben worden, und sie sind in diesem Jahr so etwas wie der Saisonhöhepunkt. „Ich wäre sehr gern gekommen und hatte versucht, mit Hängen und Würgen über Arztbesuche und Physiotherapie das Problem in den Griff zu kriegen. Aber ein Muskelfaserriss dauert natürlich seine Zeit“, sagt er – und ärgert sich trotzdem. „Es wäre eine coole Sache gewesen, in Dresden den Einstand zu zelebrieren“, betont Vetter.

Seinem Facebook-Eintrag ist es schließlich wohl zu verdanken, dass der Speerwurf überhaupt ins Programm aufgenommen wurde. „Als der DSC vor drei Wochen die Mid.Summer.Track.Night per Livestream übertrug, hatte ich in einem Posting geschrieben: Es wäre cool, wenn ihr auch mal Speerwurf ins Programm nehmen würdet. Da würde ich auch gern kommen“, erzählt der deutsche Rekordhalter, der mit seinen 94,44 Metern den zweitweitesten Wurf aller Zeiten mit dem neuen Speer hinlegte.

Auch in diesem Jahr sei er wieder auf 90-Meter-Niveau, und das wollte er in seiner Heimat zeigen. „Es ist ein schönes Stadion. Ich hatte dort gute Wurfeinheiten – und da hängen auch schöne Erinnerungen dran“, unterstreicht Vetter. Für den Auftritt in Dresden hätte er auch auf das sonst übliche Antrittsgeld verzichtet. Die wenigen deutschen Leichtathletik-Stars sind natürlich auch international gefragt, wenngleich in diesem Jahr alles ein bisschen anders ist. „Ich habe ja von mir aus in Dresden angefragt und deshalb nur um zwei Hotelübernachtungen gebeten“, sagt er.

Der 27-Jährige besucht die Heimat einmal im Jahr

Vetter vermittelt trotz der kurzfristigen Absage den Eindruck, dass ihm die Rückkehr in die Heimat eine Herzensangelegenheit ist. „Ich habe direkt nach meiner Absage angefragt, ob der DSC in diesem Jahr noch etwas Ähnliches plant“, betont er, wohlwissend, dass es im nächsten Jahr wieder schwieriger werden dürfte. „Ob das Abendsportfest dann in meinen Wettkampfkalender passt, muss sich noch zeigen. Da bevorzuge ich wahrscheinlich eher Wettkämpfe, bei denen ich auch wirtschaftlich für mich etwas rausholen kann“, erklärt Vetter erfrischend offen. In der auf 2021 verschobenen Olympia-Saison ordnet er ohnehin alles dem einen Ziel unter. „Gold“, sagt der Vierte der Sommerspiele von 2016 in Rio de Janeiro kurz und bündig auf die Frage nach seinem Vorhaben für Olympia in Tokio.

Nur noch einmal pro Jahr ist Vetter ansonsten in Dresden. Nach dem frühen Tod seiner Mutter im November 2018 sind sein Vater und seine Schwester mit ihrer dreiköpfigen Familie in die Nähe von Offenburg gezogen.

Der nun kurzfristig abgesagte Start wäre auch die Geschichte einer Wiederannäherung gewesen. Nach seinem WM-Sieg 2017 hatte Vetter in einem Interview in der Mixed-Zone aus seinen Emotionen heraus auch über Dresden gewettert. Das hat er längst als Fehler eingeräumt. „Ich habe mit einigen Dresdnern nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis. Es wird aber auch einige geben, die mir immer noch böse sind. Es gibt in Dresden weitaus mehr Unterstützer“, meint Vetter und unterstreicht nochmals: „Für mich ist das Schnee von gestern. Und für mich ist es nach wie vor die allerbeste Entscheidung, damals nach Offenburg gewechselt zu sein.“

Auch ohne den Start des Speerwurfweltmeisters kann sich das Teilnehmerfeld in Dresden sehen lassen. Speerwurf-Europameisterin Christin Hussong hat gemeldet. Außerdem starten Max Heß, früherer Europameister im Dreisprung aus Chemnitz, und WM-Sprinter Marvin Schulte vom SC DHfK Leipzig im Steyer-Stadion. Unter normalen Bedingungen wäre es für den DSC kaum möglich, solche Athleten zum Abendsportfest zu locken. Das weiß auch Vetter – und will deshalb wenigstens am Livestream zuschauen, den der Verein am Freitag auf seiner Homepage erstellt.