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Desinfiziert: Wie jetzt der Wochenendeinkauf läuft

Einkaufen ist jetzt ein ganz neues Erlebnis - mit neuen Regeln. Welche Herausforderungen das für Kunden wie Personal birgt.

Von Susanne Sodan
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Die Bodenmarkierungen zum Abstandhalten sind jetzt offenbar Standard in Geschäften.
Die Bodenmarkierungen zum Abstandhalten sind jetzt offenbar Standard in Geschäften. © privat

Rückzug. Donnerstagabend einkaufen gehen - keine gute Idee. Die Grenzschließung nun auch für Berufspendler auf polnischer Seite hat für heftigen Stau in Görlitz gesorgt. Freitagmorgen: Die Warteschlangen haben sich aufgelöst. Von Warteschlangen war in den vergangenen Tagen aber noch in anderem Zusammenhang zu lesen: denen vorm Supermarkt.

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An diesem Freitagmorgen ist beim Kaufland Weinhübel aber keine zu sehen.  Und doch ein ungewohntes Bild. Die große Schiebetür bleibt zu, will man rein. Sie ist jetzt die Ausgangstür. Der Eingang ist an der kleinen Tür rechter Hand. Dort warten neben Hinweisschildern Frank Leo und einer seiner Kollegen vom BIG-Sicherheitsdienst. "Bitte einen Wagen nehmen", sagt er. 

Bitte freundlich bleiben. 
Bitte freundlich bleiben.  © privat

Das halten viele Supermärkte aktuell so: Die Einkaufswagen helfen den Sicherheitsdiensten, den Überblick über die Zahl der Kunden im Geschäft zu behalten und den Kunden wiederum, den Abstand zu wahren. Nun, mit Wagen,  darf man passieren. Aber nicht weit. Im Kaufland-Vorraum steht kein Desinfektionsmittelspender - sondern eine kleine Desinfektionsdusche für die Hände.

Aus Protest auf das Kassenband gesetzt

Wird der Einkaufswagen auch desinfiziert? "Klar", sagt Frank Leo. "Und noch etwas zum Lesen für Sie", sein Kollege legt einen A4-Zettel in den Einkaufswagen. Die Abstandsregel soll man einhalten, bittet der Zettel, ebenso die Regelungen zu den Höchstabgabemengen. "Nutzen Sie die gesamte Öffnungszeit. Es wird nicht nur früh aufgefüllt". Bisschen Humor hat Kaufland auch. "Optional" wird für stark frequentierte Standorte geraten, gelassen, rücksichtsvoll und freundlich zu bleiben. 

Von all solchen Vorfällen war in den vergangenen Tagen viel zu lesen: eine Frau, die sich in NRW aus Protest auf ein Kassenband setzte, weil sie nur eine Packung Toilettenpapier kaufen durfte. Mitarbeiter, die gar bespuckt wurden. Auch Andreas Otte von der Görlitzer GRS-Sicherheitsfirma und seine Kollegen hatten in den vergangenen Tagen bei ihren Einsätzen in Supermärkten verstärkt mit Aggressivität zu tun: Leuten, die sie anhusten, ihnen in die Hacken fahren und sogar beschimpfen, erzählte er der SZ. 

"Du hast das Geld!" - "Aber du hast den Einkaufszettel."

Eine junge Frau, die es offenbar eilig hat, reagiert genervt, dass sie einen Wagen nehmen muss. Solche krassen Vorfälle wie andernorts hat Frank Leo in Weinhübel aber bislang nicht erlebt, erzählt er. Donnerstagmorgen sei recht viel los gewesen, weil das neue Sonderangebot kam. "Aber es gab keine Panik oder Ärger", sagt er. Eher Situationen zum Schmunzeln. "Die Kunden sollen ja alleine einkaufen gehen, also eine Person aus einem Haushalt", erklärt er. Manches betagte Paar habe das vor eine Herausforderung gestellt. Weil sie offenbar sonst nie alleine einkaufen gehen, sondern eine feste Paar-Einkaufs-Routine haben. Was nun am Eingang zu Diskussionen geführt habe wie: "Du hast das Geld!" - "Aber du hast den Einkaufszettel." 

Die Rentner hatten gerade in den sozialen Netzwerken diese Woche viel Schelte bekommen und für Unverständnis gesorgt: Statt Kontakte zu meiden, würden sie eher noch häufiger einkaufen gehen. Andere halten dagegen: "Auch Rentner müssen irgendwann mal was einkaufen", schreibt eine Nutzerin auf Facebook. Und auch Jüngere würden sich häufig nicht gerade an die neuen Regeln halten, zum Beispiel in Gruppen einkaufen gehen, schreiben andere. 

Bezahlen mit Bleistift

An die Regeln weisen im Kaufland Zettel an den Regalen hin. Im Gang mit dem Toilettenpapier ist nicht viel zu holen - man hat sich schon dran gewöhnt. Ebenso an die Abstandsmarkierungen auf dem Boden an den Kassen. Dort sitzen die Kassierer nun hinter Plexiglas mit Plastikfolie. Ab und an schallt im Kaufland außerdem eine Durchsage aus den Lautsprechern, in der gebeten wird, möglichst bargeldlos zu bezahlen. Die Tasten des Kartenlesegerätes an der Kasse muss man nicht berühren: Die Verkäuferin reicht beim Bezahlen einen Bleistift.  "Bitte mit dem Radiergummi die Nummer eingeben", sagt sie. 

Kein Wagenzwang bei Marktkauf

Wagenzwang gibt es bei Marktkauf im Neißepark nicht. Ansonsten ist das Bild ein ähnliches. Begrüßt wird man jetzt vom Sicherheitspersonal, einem Desinfektionsmittelspender und Hinweisschildern. Zum Beispiel Hygienetipps des  Bundes-Gesundheitsministeriums.  Dass die Kunden das ablehnen würden, kann man nicht behaupten. Fast jeder, der den Neißepark betritt, nutzt den Spender. Ob auch hier die Wagen desinfiziert sind? Ein Sicherheitsmann sagt ja, zumindest an diesem Freitagvormittag sieht man davon aber nichts. 

Bezahlen mit Karte und Handschuhen
Bezahlen mit Karte und Handschuhen © privat

Einen Bleistift gibt es zum Bezahlen im Marktkauf zwar nicht - zumindest an den Selbstbedienungskassen - dafür aber Handschuhe, damit man die Systeme nicht direkt berühren braucht. "Ja, nehmen Sie bitte welche", ermutigt die Verkäuferin, die sonst hilft, wenn man Probleme mit den SB-Kassen hat. 

Bei Aldi an der Pontestraße gibt es beides: einen desinfizierten Einkaufswagen - darum kümmert sich ein Sicherheitsmann  - und man kann sich am Eingang ein Paar von diesen ganz dünnen Handschuhen nehmen. Nicht nur wegen der Handschuhe - Plaste scheint in der Corona-Krise ein kleines Comeback zu feiern. Jahrelang versuchte man aus triftigen Gründen auf Plastiktüten zu verzichten. Jetzt, wo es mehr denn je um Hygiene ging, sind sie wieder verstärkt im Einsatz: Die Brote und Brötchen, die beim Backshop normalerweise lose in den Fächern liegen, sind jetzt sowohl bei Aldi als auch im Marktkauf vorverpackt.

In vielen Selbstbedienungs-Backshops ist Ware jetzt nicht mehr lose. 
In vielen Selbstbedienungs-Backshops ist Ware jetzt nicht mehr lose.  © privat

Verkaufen hinter der Plane

Ungewohntes Bild auch bei Edeka in Kodersdorf. Auf einen Sicherheitsdienst hat Edeka offenbar verzichtet. Dafür steht ein Mitarbeiter am Eingang und begrüßt die Kunden, während er ihre Einkaufswagen desinfiziert. Einen Desinfektionsmittelspender gibt es auch. Und: ein Waschbecken. Im Vorraum hat die Bäckerei Tschirch eine Filiale. An der Theke hängt eine Plastikplane von der Decke, zum Schutz der Verkäufer. Den Hinweis "Bitte Abstand halten" findet man auch hier - in Kreidefarbe und Schreibschrift an der Glasfront der Theke. Wenn es doch immer so einfach wäre. Mancher Gang verlangt offenbar Nähe. 

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