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Deutsches Haus gehört Tharandt – endlich

Die Forststadt hat die Ruine gestern ersteigert. Jetzt kann die Ortsmitte gestaltet werden.

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Von Verena Weiß

Drei, zwei, eins – meins! Die Erleichterung war Bürgermeister Silvio Ziesemer ins Gesicht geschrieben. Das Deutsche Haus in Tharandt gehört der Stadt – endlich. Zum eher symbolischen Verkehrswert von einem Euro stand die Immobilie gestern beim Dresdner Amtsgericht zum Verkauf. Die Forststadt erhielt zuzüglich Verwaltungskosten sogar zum angesetzten Mindestgebot von 1 300 Euro den Zuschlag.

Die Zwangsversteigerung lief reibungslos ab, fast unspektakulär. Dennoch lag mit Eröffnung der Bieterstunde zeitweilig Spannung in der Luft. Was wollen die Leute hier in den Reihen? Was, wenn doch noch einer von ihnen die Hand hebt? Nach 30 Minuten dann die Erlösung. Die neugierigen Besucher entpuppten sich als Schaulustige. Das Angebot der Forststadt blieb konkurrenzfrei. „Wir freuen uns, dass es geklappt hat“, sagt Silvio Ziesemer mit einem Lächeln. „Jetzt kann es endlich vorwärtsgehen.“ Nur wohin? – Genau wisse man das auch im Tharandter Rathaus noch nicht. Nur so viel: Zur nächsten Sitzung des Technischen Ausschusses soll die Zukunft des einstigen Gasthofes vorbesprochen werden. Das letzte Wort habe der Stadtrat.

Abriss unausweichlich?

Eines dürfte aber schon jetzt feststehen: Die letzten Tage des markanten Objektes in der Tharandter Ortsmitte sind seit gestern gezählt. Nur die Abrissbirne wird dem historischen Haus noch nahekommen. Ein Aufbau des Gebäudes wäre finanziell nicht machbar. Allein der Abriss wird laut Gutachten, das vom Amtsgericht in Auftrag gegeben wurde, auf etwa 70 000 Euro geschätzt. Kosten, die die Stadt Tharandt zum großen Teil mithilfe des Förderprogrammes Stadtumbau Ost stemmen könnte. Aber ob die Forststadt dann an besagter Stelle auch in ein neues Objekt investiert? Wohl eher nicht. Investoren seien hier künftig gefragt, hieß es bisher. Schon seit Monaten diskutiert Tharandt über die künftige Gestaltung der Ortsmitte. Dazu hatte die Stadt bereits eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Erste Ergebnisse hatte das damit betraute Architekturbüro Ruiarí O’Brien Anfang dieses Jahres vorgestellt (SZ berichtete). In einem öffentlichen Bürgerforum lud die Rathausspitze die Tharandter ein, um über die Zukunft des etwa 1 300 Quadratmeter großen Areals an der Dresdner Straße/Pienner Straße zu sprechen. Ideen hatten die Tharandter einige: von einem modernen Haus der Nachhaltigkeit über ein Gebäude für Industrie und Dienstleister bis hin zu einer Grünfläche mit Spielplatz zum Verweilen. Letzteres scheint zwar die günstige Variante, jedoch nicht unbedingt die favorisierte. An solch markanter Stelle gehöre auch in Zukunft ein markantes Objekt, eines, das auch das Deutsche Haus einmal war.

An dem einst imposanten und historisch wertvollen Haus nagte nicht nur der Zahn der Zeit, sondern auch die Vernachlässigung. 2008 suchte der damalige Besitzer Gerd Baßfeld händeringend nach einem Käufer für das Deutsche Haus. Damals entschied sich die Stadt, von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen. Stattdessen setzte sie auf eine englische Kapitalgesellschaft – eine Fehleinschätzung, wie sich später herausstellte. Denn aus der Sanierung der Immobilie wurde nichts. Der Besitzer war zuletzt für die Stadt nicht mehr greifbar.