Frankfurt/Main. Selten reagieren Journalisten auf eine Nachricht so geschockt wie auf diese: Der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, ist tot. Der Publizist und Buchautor erlag gestern in Frankfurt überraschend einem Herzinfarkt, wie ein Verlagssprecher mitteilte. Schirrmacher wurde 54 Jahre alt. Er war seit 1994 einer der Herausgeber der FAZ. Gesellschaftliche Debatten in Deutschland prägte er mehrfach mit. „Wir sind tief erschüttert und fassungslos“, teilte Mitherausgeber Berthold Kohler mit. „Das ist ein entsetzlicher Verlust für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.“
„Er war einer der scharfsinnigsten und profiliertesten Journalisten und Intellektuellen“, würdigte die FAZ Schirrmacher auf ihrer Internetseite weiter. Er habe ein feines Gespür für Zukunftsthemen gehabt und sei mit einer großen Gabe zur immer inhaltlich fundierten Zuspitzung ausgestattet gewesen. So habe er die FAZ „zum Meinungsführer bei Fragen der gesellschaftlichen Bedeutung der Gentechnik, des demografischen Wandels und der Digitalen Welt“ gemacht.
Bekannt wurde Schirrmacher auch als Autor von Büchern wie „Das Methusalem-Komplott“, in dem er sich bereits vor zehn Jahren mit dem Problem der Überalterung auseinandersetzte. Im vergangenen Jahr kritisierte er in „Ego“, ein Fließband-Egoismus habe das gesamte Sozialwesen erobert. Schirrmacher hinterlässt eine Ehefrau und zwei Kinder aus erster Ehe.
Bekannt war Schirrmacher als leidenschaftlicher Streiter und besessener Zeitungsmacher. 1959 in Wiesbaden geboren, hatte er nach seiner Dissertation über Franz Kafka bei der FAZ hospitiert, der er seither treugeblieben war. Die Leitung der FAZ-Redaktion „Literatur und literarisches Leben“ übernahm Schirrmacher 1990 als Nachfolger von Marcel Reich-Ranicki, mit dem er eng befreundet war und dessen Todesnachricht er im vergangenen September zuerst verbreitete – per Twitter.
1994 wurde Schirrmacher als Nachfolger von Joachim Fest zu einem der Herausgeber der FAZ berufen, er war dort für Feuilleton und Wissenschaft verantwortlich. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zeigte sich über den Tod Schirrmachers erschüttert: „Das ist eine fürchterliche Nachricht“, sagte der Bundeswirtschaftsminister. „Deutschland hat einen großen Publizisten und Intellektuellen verloren. Und ich einen Freund.“ Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) würdigte den Journalisten als Wegbereiter einer offenen Debatte über das Internet. (dpa)