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Diabetes: Eddies große Chance

Über zwei Jahre bekam der Junge in Dresden eine Art Schluckimpfung gegen Diabetes. Nun wird sich zeigen, ob das den Ausbruch verhindert.

Von Jana Mundus
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Eddie kam mit einem erhöhten Risiko auf die Welt, an Typ-1-Diabetes zu erkranken.
Eddie kam mit einem erhöhten Risiko auf die Welt, an Typ-1-Diabetes zu erkranken. © Hochschulmedizin/Stephan Wiegand

Dresden. Es waren keine guten Nachrichten so kurz nach der Geburt. Eddies Risiko war größer – fast 25-mal größer einen Typ-1-Diabetes zu entwickeln. Er und seine Eltern nahmen vor drei Jahren an der Frederik-Studie teil. In Sachsen, Niedersachsen und Bayern können Neugeborene darüber in den ersten Lebenstagen ergänzend zum regulären Neugeborenen-Screening auf ihr Risiko getestet werden, an der Autoimmun- und Stoffwechselkrankheit zu erkranken. Etwa zehn von 1.000 Kindern tragen die Risikofaktoren dafür in sich. Heute ist Eddie drei Jahre alt. Seine Chancen, keinen Diabetes zu bekommen, sind gestiegen. Möglich macht das eine Art Schluckimpfung. Die wird in Dresden erforscht.

Diabetes Typ 1 ist die häufigste chronische Stoffwechselerkrankung bei Kindern. In Sachsen werden jährlich 250 Fälle diagnostiziert. Über die Auslöser ist noch wenig bekannt. Fakt ist: Die Erkrankung tritt plötzlich auf. Das Immunsystem nimmt dann die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die das körpereigene Hormon Insulin produzieren, als Fremdkörper wahr und bildet Antikörper dagegen aus. Der Blutzucker steigt krankhaft an. Das ist gefährlich und kann auch zum Tod führen. Betroffene müssen ein Leben lang ihren Blutzucker regelmäßig prüfen und sich täglich Insulin spritzen.

Ein Schicksal, das Eddie vielleicht erspart bleiben könnte. Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der TU Dresden und des Zentrums für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) untersuchen im Rahmen der Point-Studie, wie sich durch die Gabe von Insulin das Diabetesrisiko von Kindern senken lässt. Die Präventionsstudie soll zeigen, ob täglich verabreichtes Insulinpulver im Säuglings- und Kleinkindalter die fehlerhafte Immunreaktion verhindern kann. Das Immunsystem wird trainiert, damit die Falschreaktion nicht eintritt. Ähnlich wie bei einer Desensibilisierung bei Allergikern wird das Immunsystem der Kinder dadurch regelmäßig mit Insulin in Kontakt gebracht.

Abschied mit Luftballons: Eddie hat den aktiven Teil der Studie erfolgreich beendet. Er wird jetzt nur noch zur Nachbeobachtung in die Klinik kommen.
Abschied mit Luftballons: Eddie hat den aktiven Teil der Studie erfolgreich beendet. Er wird jetzt nur noch zur Nachbeobachtung in die Klinik kommen. © Hochschulmedizin/Stephan Wiegand

Gerade das erste Lebensjahr ist dafür ideal. Das Immunsystem ist im Lernprozess, muss viele neue Dinge verarbeiten. Es kann, so hoffen die Forscher, deshalb womöglich auch lernen, dass Insulin eben kein Fremdprotein ist , es also nicht bekämpft werden muss. Bis zum dritten Geburtstag erhalten die Kinder einmal täglich eine Kapsel mit Insulinpulver, die über das Essen eingenommen wird. Zum Beispiel zusammen mit der Milch, einem Tee oder Joghurt. In Vorstudien wurde diese Dosis bereits getestet und zeigte keine Nebenwirkungen. Höchstens sieben Monate alt dürfen Studienteilnehmer zu Beginn sein. Die Therapie muss möglichst früh begonnen werden. Nach dem ersten Lebensjahr beginnt bei einigen Kindern bereits der Krankheitsprozess, für die präventive Insulingabe wäre es dann zu spät.

Heute ist Eddie ein glückliches Kindergartenkind, er lacht viel und spielt mit seinen Freunden. „Wir hatten vom ersten Tag an ein sehr gutes Gefühl, dass unser Kind hier an der Dresdner Uniklinik in besten Händen ist“, sagt seine Mutter. „Die Wissenschaftler der TU Dresden haben uns immer bestens beraten und waren immer ansprechbar.“ An der Point-Studie, die insgesamt siebeneinhalb Jahre laufen wird, nehmen mittlerweile in Dresden bereits 107 Kinder von insgesamt 188 hier verfügbaren Plätzen teil. Neben Deutschland sind auch Kliniken in Belgien, Polen, Schweden und Großbritannien dabei. Insgesamt sollen 330.000 Kinder auf ein erhöhtes Risiko getestet werden. An der Studie selbst werden 1.000 Kinder teilnehmen. Weil sie aufwendig und sehr teuer ist, wird sie vom US-amerikanischen Leona M. und Harry B. Helmsley Charitable Trust mit 44 Millionen Euro gefördert.

Für Eddie ist die Phase der Insulineinnahme nun abgeschlossen. Vor wenigen Tagen besuchte er zur letzten Insulingabe die Kinderklinik des Universitätsklinikums Dresden. „Wir werden Eddie in den nächsten drei Jahren weiterhin regelmäßig sehen und sorgfältig nachbeobachten“, sagt Reinhard Berner, der die Studie gemeinsam mit Ezio Bonifacio vom CRTD leitet. Nur so ließe sich herausfinden, ob es tatsächlich gelingen kann, die Entstehung der Diabetes-Erkrankung zu beeinflussen, Dann wäre die Gefahr für Eddie endgültig gebannt.