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Dichter, Denker, Kritiker

Titel wie diese wären gewöhnlich und unauffällig gewesen: „Dorfchronik Reichenberg“. Oder „Reichenberg – damals und jetzt“. Dieter Krause dagegen hat für seine Geschichtsabhandlung des Moritzburger Ortsteils...

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Titel wie diese wären gewöhnlich und unauffällig gewesen: „Dorfchronik Reichenberg“. Oder „Reichenberg – damals und jetzt“. Dieter Krause dagegen hat für seine Geschichtsabhandlung des Moritzburger Ortsteils vom Hochmittelalter bis heute einen ungewöhnlichen, auffallenden Titel gewählt: „Punkt, durch den die Zeit treibt“.

„Ich habe lange überlegt, ob ich mein Buch so nennen sollte“, sagt der Autor. Doch dann entschied er sich dafür, den Punkt im Koordinatenkreuz, an dem sich Ort und Zeit treffen, auf den schwarzen Einband der 86 Seiten zu nehmen. Auch deshalb, weil er während seiner fünfjährigen Arbeit daran zunehmend die Historie des Ortes als Zeitgeflecht begriff, „ohne die Klarheit einer Geschichtslinie, die uns der Schulunterricht in der Kindheit so gern vorgab“. Fast philosophische Worte eines stillen Dichters.

Auch sonst fällt Dieter Krauses Chronik etwas aus dem Raster historischer Bücher. Keine trockene, wissenschaftliche Statistik wollte er abliefern, sondern lesbare Geschichte. Keine Politiker in den Vordergrund stellen, sondern die Bürger. Der Erfolg gibt ihm recht. Laut Jens Kuhbandner, dem Leiter des Radebeuler Notschriften-Verlags, ist die Erstauflage von 300 Büchern fast vergriffen. Über eine Neuauflage werde bereits nachgedacht.

Fruchtbare Bergsiedlung

Dabei ist Krause gar kein waschechter Reichenberger, nur ein Zugezogener. 1961 in Dresden geboren, übernahm der studierte Fernmeldetechniker 1985 einen Hof an der August-Bebel-Straße. Seit der Wendezeit setzt er die Künstler der Landesbühnen Sachsen in Radebeul als Beleuchter ins rechte Licht. Doch nicht nur das: Wenn der Ehemann und Vater zweier Töchter nachts nach der Vorstellung nach Hause kommt, zieht er sich in sein Arbeitszimmer zurück und schreibt – Novellen, Kurzgeschichten und vor allem Gedichte. Mehrere Gedichtbände von ihm sind bereits erschienen. Und ein paar Jahre hat er auch die Dresdner Literaturzeitschrift „Ostragehege“ mit betreut.

Nun also eine Chronik. Doch ohne Unterstützung hätte Geschichtsfan Krause sein Büchlein nicht schreiben können. Er hat in der Vorbereitung mit Bürgern gesprochen und Archive besucht. Aber sein größter Dank geht an den Ortschronisten von Reichenberg, Gerold Rahrisch, der mit seinem Wissen um den Ort die Chronik erst ermöglicht habe.

In dieser bricht Krause auch mit der These, der Name Reichenberg gehe auf die Deutung „fruchtbare Bergsiedlung“ zurück. Das sei zwar nicht falsch, Krause aber denkt, dass der Ort so heißt, weil es einen Herrn von Reichenberg gab. Einer dessen Söhne soll der sogenannte Lokator gewesen sein, also derjenige, der die Siedler an den Ort am Rande Dresdens führte.

Der Mensch braucht Heimat

So ungewöhnlich der Titel, so zum Nachdenken anregend auch der Schluss. Krause endet mit einer Frage: „Der Mensch braucht Regionen, um sich sozial einbinden zu können. Sollten wir das nicht mehr bedenken?“

Es sei wichtig, sagt er darauf angesprochen, gerade in der Globalisierung Regionen zu stärken, ohne politischen Kleinwuchs natürlich. Der Reichenberger ist nicht nur Dichter und Techniker, sondern eben auch Denker und Kritiker. Marco Mach