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Dicke Luft am Gartenzaun

Ein Kleingartenverein kündigt einer Großfamilie wegen Dauerwohnens die Parzelle. Doch die weigert sich zu gehen.

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Von Jane Jannke

Zur Hoffnung heißt das idyllische Fleckchen Erde am Südhang des Windberges. Doch die ist in der Kleingartensparte oberhalb der Poisentalstraße schon längst gestorben – zumindest, was die friedliche Beilegung eines seit Monaten schwelenden Streits betrifft. 130 Parzellen schmiegen sich hier dicht an dicht bergan. Schmucke Lauben, gepflegte Beete, penibel gestutzter Rasen. Wer hier pachtet, lebt den Traum vom eigenen kleinen Paradies.

Das erhofft sich auch Claus B., als er im April 2013 ein 400-Quadratmeter-Grundstück samt Laube in der Siedlung kauft und mit dem Verein einen Pachtvertrag abschließt. Für seine Frau und die fünf Kinder vom Baby bis zum Teenager will der Freitaler ein Refugium im Grünen schaffen. Anfangs geht auch alles glatt. B.s bringen den Garten in Schuss, stellen Spielgeräte auf. Vereinschef Karl-Heinz Herberger lädt Claus B. ein, beim alljährlichen Oktoberfest aufzutreten. „Wir wussten damals nicht, was auf uns zukommt“, sagt der 71-Jährige heute.

Schon bald, behauptet Herberger, beginnen jedoch die Probleme. Nachbarn wundern sich, dass B.s abends nicht heim, die Kinder morgens vom Garten zur Schule gehen. Säckeweise Müll und Babywindeln landen im Wald und in den Abfalltonnen. Es hagelt Beschwerden wegen Lärms und des Gestanks von 18 Litern Fäkalien, die B. angeblich alle drei Tage auf seinen Komposthaufen entsorgt. „Wir haben ihm gesagt: B., so geht das nicht. Ihr könnt nicht die ganze Zeit hier hausen“, erzählt Herberger. Doch Claus B. habe alles abgestritten und seinerseits dem Verein vorgeworfen, sich an den Kindern zu stoßen. Tatsächlich ist die Mehrzahl der Laubenpieper jenseits der 50.

Die Kinder seien dennoch nie ein Problem gewesen, verteidigt sich der Vorstandschef. „Die Probleme haben die Erwachsenen gemacht.“ Einen rüden Umgangston hätten diese gepflegt, sich und ihre Kinder angeschrien – und dann die Müllprobleme: „So viel Unrat und Fäkalien entstehen nicht von zwei, drei Nachmittagen pro Woche im Garten, auch nicht bei sieben Personen. Wir mussten etwas tun.“

Zweimal mahnt der Verein Claus B. ab, fordert ein Ende des Dauerwohnens zu siebt auf 25 Quadratmetern. Weil sich angeblich nichts ändert, wird der Familie schließlich im Oktober gekündigt. „Es tut uns leid für die Kinder“, sagt Karl-Heinz Herberger rückblickend. Aber man müsse sich im Kleingarten einfach auch an Regeln halten – und die gibt das Bundeskleingartengesetz vor. Demnach ist eine durchgängige Nutzung mit Übernachtung nur am Wochenende sowie nach Anmeldung einmal pro Jahr für einen zweiwöchigen Urlaub erlaubt. Wer monatelang auf seiner Scholle campiert, muss mit Sanktionen rechnen, denn für die ständige Nutzung sind die Parzellen, die meist über keinerlei Abwasserentsorgung verfügen, nicht ausgelegt.

Ein Grill macht noch keinen Garten

Gerade junge Gartenfreunde wissen selten um das Geflecht aus gewachsenen Traditionen und festen Regeln, das das Kleingartenwesen umgibt. Einen Pool bauen und einen Grill auf die Wiese stellen reiche nicht, sagt Karl-Heinz Herberger. So muss mindestens ein Drittel des Landes als Anbaufläche genutzt werden, ein weiteres Drittel sollte aus Grünflächen bestehen. Im Falle von Familie B. habe man bei vielem ein Auge zugedrückt, auch wegen der Kinder. „Aber wenn die Nachbarn anfangen Unterschriften zu sammeln oder mit Kündigung drohen, muss schon einiges im Argen liegen“, sagt Herberger. Er hat sich umgehört, will von ähnlichen Schwierigkeiten der Familie im Vorfeld in einer Gartensparte in Lungkwitz wissen.

Claus B. fühlt sich derweil zu Unrecht verfolgt und verleumdet. Er, der mit seiner Familie in Hainsberg wohnt, bestreitet, dauerhaft im Garten gelebt zu haben. Die Kündigung akzeptiert er nicht, hat bis heute Haus und Parzelle nicht geräumt. Der Verein hat den Strom gekappt und klagt nun vor Gericht auf Vollzug. B. wehrt sich dagegen, spricht von „herzlosen Menschen“, die seinen Kindern ein Stück Natur missgönnen. Ob die Familie tatsächlich gegen Regeln verstieß und die Kündigung damit rechtens ist oder nicht, muss nun das Amtsgericht Dippoldiswalde klären. Ein Termin steht nach Angaben von Anwalt Klaus Seidel allerdings noch nicht fest. Wegen des schwebenden Verfahrens hat er Claus B. abgeraten, sich zu Hintergründen des Geschehenen zu äußern.