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Die alte Dame und das Kalkreuther Wehr

Irene Bastian betreut ein Wehr mit Stahltor, das Röder und Neugraben teilt.

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Langsam fährt das schwere Stahltor nach oben, immer schneller schießt das Wasser vorbei, reißt Blätter und Zweige mit in die Große Röder. Bis zu zwei Mal am Tag muss Irene Bastian, die hier seit 1965 am Kalkreuther Wehr wohnt, das Schwemmgut abfließen lassen. Allerdings nicht alles. Milchtüten, Flaschen, Gartenabfälle und sogar einen Wäschekorb hat sie schon mit dem fünf Meter langen Haken, der oben auf dem Wehr liegt, herausgefischt: „Die Leute sind Schweine, sie werfen ihren Müll ins Wasser.“ Nach der Wende habe diese Unsitte sogar noch zugenommen, erklärt Irene Bastian.

Mit dem schweren Stahltor, das über einen Motor betrieben wird, lässt sich die Wassermenge, die in die Große Röder und damit nach Großenhain fließt, regulieren. Den regelmäßigen Reinigungsschwall am Wehr „merken die Großenhainer gar nicht“. Eine Welle schickt Irene Bastian auch in den Fluss, wenn Schilf gemäht wird, damit die Reste fortgeschwemmt werden. Eine Stunde dauert es, bis die Welle Folbern erreicht hat, zwei Stunden bis sie in Großenhain ist. Nach dem Tornado wurde der Wasserzufluss stark gedrosselt, damit die durch umgestürzte Bäume aufgerissenen Ufer nicht noch zusätzlich ausgespült wurden.

Fischtreppe soll entstehen

Gegenüber auf der anderen Uferseite sind Bäume gefällte worden, keine Aufräumungsarbeiten nach dem Tornado, sondern „hier soll im September eine Fischtreppe gebaut werden“. Wie notwendig dies ist, zeigt die Tatsache, dass die Große Röder im Laufe der Jahrhunderte stark verbaut worden ist: „Auf einer Länge von 105,5 km wurden von der Fischereibehörde 54 Querbauwerke erfasst, von denen nur etwa 43 Prozent für Fische passierbar sind“, teilte Sprecherin Karin Bernhardt vom sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie mit.

Zur großen Wehranlage, 1994 errichtet, gehört auch noch das Schlauchwehr am Röderneugraben. Durch den bereits 1615 angelegten Graben wird das Röderwasser um das Großenhainer Zentrum herumgeleitet. Ein riesiger, im Flussbett liegender Schlauch kann automatische aufgepumpt und wieder abgelassen werden. Einmal aber ging nichts mehr: „Da hatte ein Biber den Schlauch zerbissen.“

Im Juli 2003 war es durch die anhaltende Hitze erst zu einem Massenwachstum von Algen und dann zu einem Fischsterben zwischen Großraschütz und der Skassaer Neumühle gekommen. Diese Gefahr scheint in diesem Jahr nicht zu bestehen. „Ich wundere mich, wie viel Wasser in der Röder ist, trotz der Hitze“, sagt Irene Bastian. Und auch Kornelia Hartung, Leiterin der zuständigen Flussmeisterei Riesa, hat noch keinen Sauerstoffmangel im Fluss festgestellt.

Allerdings beginne gerade eine Verkrautung der Röder. Das heißt, dass Wasserpflanzen von einem Boot aus „gemäht“ werden müssen. Am Wehr Kalkreuth ist die Wasserqualität gut, zumindest die sichtbare. „Ich bin selbst vorgestern dort gewesen und habe gestaunt, wie sauber das Wasser ist“, erklärt Kornelia Hartung. Aufgabe der Behörde ist es zudem, den Zustand der Deiche, Uferbefestigungen und Wehre an der Großen Röder zu überwachen, den als ein Fluss I. Ordnung fällt sie laut sächsischem Wassergesetz in die Zuständigkeit des Freistaates.

Irene Bastian hört das Rauschen des Wassers nach all den Jahren schon längst nicht mehr. Was sie aber immer noch sieht, ist die paradiesische Schönheit des Flusses vor ihrem Haus. Udo Lemke