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Die Auferstehung der Winterkönigin

Im Landschloss Zuschendorf beginnt am Sonnabend die Deutsche Kamelienblütenschau. Mit Beiträgen aus Tschechien – und einem nackten König.

Von Thomas Morgenroth
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Ein nackter König, eine schöne Königin und viele Kamelien sind die Hingucker im Zuschendorfer Festsaal.
Ein nackter König, eine schöne Königin und viele Kamelien sind die Hingucker im Zuschendorfer Festsaal. © Norbert Millauer

Im frostigen Festsaal des Landschlosses Zuschendorf ist in diesen Tagen ein nackter König zu besichtigen. Nun nicht ganz, er trägt eine prunkvolle Krone auf dem Kopf, und sein Unterleib mit den entscheidenden Details verschwindet in einem Fluss, auf dem zahlreiche Kamelienblüten treiben. Insofern bleibt das Bad des böhmischen Herrschers Friedrich I. im Sommer des Jahres 1620 in der Moldau in Prag ein jugendfreies Spektakel. Die Einwohner der Stadt, die von der Karlsbrücke aus zusehen, empören sich indes weniger über die Blöße ihres Herrschers, als vielmehr über seine Gattin Elisabeth Stuart, die es wagt, in aller Öffentlichkeit ihren Mann im Adamskostüm zu betrachten. Wie schamlos!

Nun ja, die beiden sind schon seit sieben Jahren verheiratet, da gibt es wohl nichts Neues zu entdecken. Allerdings sind Friedrich, der als Friedrich V. auch Kurfürst in der Pfalz ist, und Elisabeth, die Tochter des englischen, schottischen und irischen Königs Jakob I., nicht sonderlich beliebt. Als Protestanten sollen sie Böhmen gegen die katholischen Habsburger verteidigen, was letztlich nicht gelingt. Nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg flieht das Paar nach Schlesien. Seine Herrschaft in Böhmen ist zu Ende, fortan regieren dort die katholischen Habsburger – bis 1918.

Gärtnerin Sylvia Bär bereitet im Salon des Landschlosses Zuschendorf die diesjährige Kamelienblütenschau vor.
Gärtnerin Sylvia Bär bereitet im Salon des Landschlosses Zuschendorf die diesjährige Kamelienblütenschau vor. © Norbert Millauer

Friedrich und Elisabeth, die nur ein Jahr auf dem Thron saßen, gehen als Winterkönig und Winterkönigin in die Geschichte ein. An ihren Titel erinnern sich später die böhmischen und mährischen Gärtner, als die Kamelie auch in deren Gewächshäusern blüht. Und zwar im Winter. Angesichts der prächtigen Blüten ist die in Asien heimische Kamelie tatsächlich eine Königin. Von der Elisabeth, die eine sehr schöne Frau gewesen sein soll, keine Kenntnis hatte – in Europa blühten die ersten Kamelien erst Mitte des 18. Jahrhunderts.

Die launige Inszenierung im Zuschendorfer Festsaal, eingerichtet von der Thüringer Grafikdesignerin Bea Berthold, deren aufwendigste Zutat ein königliches Kleid aus der Wehlener Werkstatt der Kostümdesignerin Simone Hermsen ist, stimmt auf das diesjährige Motto der Deutschen Kamelienblütenschau ein: „Die Auferstehung der Winterkönigin“. Mit diesem Titel greift Matthias Riedel, Leiter der Botanischen Sammlungen und Geschäftsführer des Fördervereins des Landschlosses, eine spannende Geschichte auf, die sich in Sachsen, Böhmen und Mähren abspielte, und von der er 2002 durch einen Artikel in einer Prager Gartenzeitschrift erfuhr.

Es ist ein Drama in zwei Teilen, das in der Bombennacht am 13. Februar 1945 in Dresden beginnt. Ein Gärtner rettet unter Einsatz seines Lebens aus dem brennenden Schauhaus des Botanischen Gartens einige Kamelien und bringt sie über den Erzgebirgskamm nach Böhmen. Vermutlich in einem Leiterwagen, so jedenfalls ist es als Schaubild im Foyer zu sehen (und wieder nicht der grüne Drache, den mancher kleine Besucher vermissen wird).

Besucher wählen schönste Blüte

Die Dresdner Kamelien kommen über Jahrzehnte in der Stadtgärtnerei in Karlsbad unter. „Das war die erste Wiederauferstehung der Winterkönigin“, sagt Riedel. Aber ihr Leben ist erneut bedroht, diesmal von Investoren, die nach 1989 die Glashäuser zugunsten eines Hotels abreißen lassen. Die Pflanzen stellt man in die berühmte Kolonnade, direkt neben die Heilquelle. Allerdings trinken die Kurgäste lieber den Kräuterlikör Becherovka, ebenfalls eine Karlsbader Spezialität. Ihre Trinkgefäße entleeren sie in die Töpfe der Kamelien. Mit fatalen Folgen: Die eigentlich immergrünen Pflanzen vertragen das salzige Wasser nicht und verlieren alle Blätter. Der Gärtner Evžen Kopecký holt die bereits Totgeglaubten in die Gewächshäuser des Schlosses Lissitz (Lysice), wo die Winterkönigin ihre zweite Wiederauferstehung erlebt.

So kommt es, dass Dresdner Kamelien jetzt in Mähren blühen. Von dort kommt auch einer der tschechischen Gastbeiträge zur XVII. Deutschen Kamelienblütenschau, außerdem aus dem Schloss Raitz (Rájec). Eingebettet in den spannenden historischen Rahmen, sind ab Sonnabend in Zuschendorf mehr als eintausend Kamelienblüten zu bewundern, die von Mitgliedern der Mitteldeutschen Kameliengesellschaft am Freitag und in der Nacht zum Sonnabend aus ganz Deutschland geholt werden. Übers Wochenende dürfen die Besucher erneut die schönste Blüte wählen.

Matthias Riedel hofft auf 30.000 Besucher. Die Eintrittsgelder sind die wichtigste Einnahmequelle des Vereins, der Eigentümer des Anwesens ist. Vielleicht lockt ja der nackte König noch ein paar Gäste mehr ins Seidewitztal. Einen solchen Anblick gibt es schließlich nicht so schnell wieder – auch wenn mancher wohl lieber die Königin beim Bade beobachten würde.

Kamelienblütenschau, 29.2.-8.3. (deutsche), 9.3.-17.4. (sächsische), Kamelienblüte in den Glashäusern bis 19.4,, Die.-So., feiertags 10-17, im März auch Mo. 10-16 Uhr.

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