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„Die Bahn braucht kein Lager in Kalifornien“

Der Bahnexperte Markus Wacket (43) warnt vor Fehlspekulationen im Ausland, die für den deutschen Steuerzahlerteuer werden könnten.

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Herr Wacket, Die Datenaffäre bei der Bahn weitet sich immer weiter aus. Ist es vorstellbar, dass im Vorstand niemand von den Schnüffeleien wusste?

Daran gibt es zumindest erhebliche Zweifel: Die zuständige Revisionsabteilung war Bahnchef Hartmut Mehdorn direkt unterstellt.Das Unternehmen wurde auf Betreiben Mehdorns sehr zentralistisch geführt. Dass einzelne Abteilungen in diesen sensiblen Themen ein solches Eigenleben über Jahre geführt haben sollen, passt damit nicht zusammen. Und wenn es doch so wäre, stellt sich erst recht die Frage der Verantwortung des Vorstands. Mehdorn hat ja dafür die Konsequenzen ziehen müssen.

Der scheidende Vorstandsvorsitzende pocht auf die Erfüllung seines Vertrages, was die Bahn Millionen kosten würde. Ist diese Forderung nicht einfach nur dreist?

Das mag auf den ersten Blick so scheinen. Aber sein Vertrag mit diesen Konditionen ist ja vor nicht einmal einem Jahr vom Aufsichtsrat und damit vom Eigentümer Bund erneuert worden. Die Diskussion um Manager-Gehälter lief da schon lange. Es war nur die Rede von Mehdorns Erfolgen.

Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will eine starke Bahn in Deutschland und Europa. Vom bisher so geförderten Transportgeschäft in Asien oder den USA ist keine Rede mehr. Steht hier ein Sinneswandel in der Politik an?

Das wird sich nach der Bundestagswahl zeigen. Es ist eine Frage wert, ob die Bundesrepublik Deutschland Lagerhäuser in Kalifornien oder Container-Terminals in Hongkong betreiben sollte. Was solche Ausflüge in die weite Welt für den Steuerzahler gerade in schlechten Zeiten bedeuten können, hat sich ja bei den Landesbanken mit ihren Fehlspekulationen gezeigt.

Der neue Bahnchef Rüdiger Grube hat bei seinem ersten öffentlichen Auftritt eher die Parole „weiter so“ ausgegeben. Wird das System Mehdorn weitergeführt ?

Dass Grube vor 20 Jahren mal Mehdorns Büroleiter war, sollte man ihm nicht anlasten. Wichtiger ist schon die Frage nach dem Aufbau der Bahn, den Grube offensichtlich nicht ändern will: Personen- und Güterverkehr sollen weiter mit dem 34000-Kilometer-Schienennetz und den Bahnhöfen unter einem Konzerndach bleiben. Mit dem direkten Zugriff auf das Netz behält er nicht nur die milliardenschweren Hilfen des Bundes, sondern kann auch das Quasi-Monopol verteidigen. Zweifelhaft ist aber, ob das für den Steuerzahler sinnvoll ist. Mehr Konkurrenz macht die DB besser und bringt mehr Verkehr auf die Schiene.

Nun reißt die Wirtschaftskrise die Logistik und den Güterverkehr mit nach unten. Wie kann dieser Entwicklung entgegengesteuert werden?

Der Güterverkehr hängt eben extrem eng mit der allgemeinen Konjunktur zusammen. Relativ stabil ist der Personenverkehr, vor allem die Regionalzüge. Die Frage aber, die nach der Wahl beantwortet werden muss, ist , ob weltweite Logistik die Aufgabe eines Staatsunternehmens sein muss. Und ob wir Steuerzahler dafür haften wollen.

Gespräch: Wolfgang Mulke