Von Carmen Schumann
Das Begleitprogramm zur Sonderausstellung des Stadtmuseums Bautzen anlässlich des 50. Geburtstages des Fotografikers Jürgen Matschie bietet bis zum 15. Mai drei Vorträge und eine Lesung rund um das Thema „Fotografie“. Der erste Vortrag, der am Donnerstagabend im Oberlichtsaal über die Bühne ging, beinhaltete einerseits viel theoretisch-philosophische Kost, andererseits aber auch einen interessanten Einblick in das fotografische Schaffen einiger zeitgenössischer Bildautoren. Jörg Sperling, der Kustos an den Brandenburgischen Kunstsammlungen Cottbus, setzte die Fotografie und das Erinnern zueinander ins Verhältnis. „Das Vergewissern und Erinnern ist eigentlich der rituelle Mittelpunkt der Religionspraxis“, führte er aus. „In unserer mitteleuropäischen Welt mit ihrer zunehmenden Ent-Sakralisierung wächst das Bedürfnis, sich an die eigenen Wurzeln zu erinnern.“ Diese Art der Vergewisserung sei wichtig in einer Zeit, wo viele Werte einfach den Bach runtergehen, erklärte der Referent.
Dass man mit Bildern Menschen manipulieren kann, haben sich die Mächtigen schon bald nach der Erfindung der Fotografie zu Nutze gemacht. „Der Faschismus betrieb eine Ästhetisierung der Politik“, bemerkte Jörg Sperling. Aber auch heute, angesichts der Kriegsbilder der „eingebetteten Journalisten“ sei eine kritische Reflexion des Gesehenen unerlässlich.
Nach seinen grundsätzlichen theoretischen Erörterungen, die der Referent vom Blatt ablas und die durch ihre hohe Abstraktion nur mit äußerster Konzentration verständlich waren, stellte er einige Autoren anhand von Bildbeispielen vor. Susanne Schleyer hat ein Familienalbum mit Hilfe ihrer Nachforschungen und Gespräche so rekonstruiert, wie es vorher niemals war. Durch symbolische Begegnungen oder Gegenüberstellungen gelingt es ihr, Strukturen sichtbar zu machen, die Fotos auf künstlerischer Ebene zum Sprechen zu bringen.
Thomas Kläber sucht als kritischer Chronist seiner Lebensumwelt und seiner Zeit nach neuen Ansätzen, die er in der Polaroid-Technik findet.
Steffen Mühle bindet „Knipsbildchen“, die er auf Trödelmärkten findet, in ein übergreifendes Strukturprinzip ein und schafft ihnen damit eine neue Bildexistenz.
Simone Ahrend betreibt Recherchen am Ort ihrer Kindheit, wobei keine sachliche Dokumentation, sondern eine Aufzeichnung von Erinnerungsresonanzen vor sich geht.
Andere Autoren, wie Viola Vassilieff oder Kurt Buchwald arbeiten mit Bildtableaus, wobei aus dem Nebeneinander eine Verflechtung entspringt. Fazit: Alles erinnert an alles. Wo auch immer wir hingehen, wir nehmen uns selbst und unsere Geschichte mit.