Ich war zum Zeitpunkt des Bombenangriffs am 13. Februar 1945 auf Dresden ein siebenjähriger Radeberger Junge, der mit seinem sechsjährigen Bruder, seiner Mutter und Großmutter in der Bahnhofstraße 13 in Radeberg wohnte. Unser Vater war schon am 19. September 1939, also 19 Tage nach Kriegsbeginn, in Polen gefallen.
Die Ereignisse des 13. Februar 1945 werde ich in meinem Leben nicht vergessen, da sie auch uns in Radeberg direkt betroffen haben. Als wenn es erst gestern gewesen wäre, erinnere ich mich noch genau daran, dass an diesem Abend Fliegeralarm ausgelöst wurde und die Sirenen in Radeberg heulten.
Angst, Todesangst!
Uns Kinder hat unsere Mutter in panischer Angst an die Hand genommen und lief mit uns durch das Treppenhaus zur Hintertür des Hauses, die zum Nebengebäude im Hof führte. Darin war der Luftschutzkeller untergebracht. Im Haus war unter allen Bewohnern helle Aufregung. Alle wollten so schnell wie möglich in den Luftschutzraum, auch daran kann ich mich noch genau erinnern.
In der Ferne waren Bombendetonationen der angloamerikanischen Fliegerverbände zu hören, die ihre vernichtende Last auf Dresden abwarfen. In dem Moment, als wir an der Hintertür unseres Hauses angekommen waren und meine Mutter die Tür öffnete, sah ich in Richtung Dresden den feuerroten Himmel. Plötzlich ein ohrenbetäubender Knall aus Richtung Gaswerk. Ich sehe wie Erdmassen und Bäume durch die Luft fliegen. Wir schreien vor Angst und Entsetzen. Abgeworfene Bomben hatten wohl ihr Ziel verfehlt, die die prall gefüllten Gasbehälter des Radeberger Gaswerkes treffen sollten? Glücklicherweise waren diese wenige Meter entfernt in den Gärten gelandet. Nicht auszudenken, wenn sie die Gasbehälter getroffen hätten.
Nur wenig Hab und Gut dabei
Wir erreichten den Luftschutzkeller. Alle Hausbewohner, die im Luftschutzraum Schutz gesucht hatten, klammerten sich aneinander und hielten das wenige Gut, was man in den Händen tragen konnte, fest. Besondere Fürsorge galt allerdings uns Kindern. Kaum einer sprach ein Wort, alle hörten nur auf die Detonationen über Dresden und das Brummen der Flieger am Himmel.
Nach Stunden des Aufenthaltes im Keller, dann plötzlich eine fürchterliche Erschütterung im Gebäude. Einstürzende Zwischenwände, herabfallende Ziegel und Mauern hatten den Kellerausgang verschüttet. Das Nebengebäude war von einem Blindgänger getroffen worden. Wir versuchten, durch das Kellerfenster ins Freie zu gelangen. Zum Glück hatte der Keller stand gehalten. Mein Onkel hatte durch eine einstürzende Mauer so schwere Verletzungen abbekommen, dass er später daran gestorben ist.
Alle, die wir durch das Kellerfenster ins Freie gelangten, flüchteten zum Deutschen Haus, in der Bahnhofsstraße 17. Auf der Freifläche im Hof stand damals eine Holzbaracke, die den Nazis als Garage diente, in der wir provisorisch Unterkunft fanden. Alle Erwachsenen halfen den Müttern, die Kinder hatten und deren Väter entweder noch im Krieg oder bereits gefallen waren. Es war eine echte Hausgemeinschaft. Am nächsten Tag gingen wir dann alle zu unserem Wohnhaus Bahnhofstraße 13, direkt gegenüber dem Bahnhof und sahen, dass ein Blindgänger vom Angriff des Vorabends das Haus zerstört hatte. Die Giebelwand unseres Hauses lag im Freien, mein Kinderbett im zweiten Stock sehe ich heute noch unter freiem Himmel stehen. Wir alle hatten unsere Wohnungen und unser Haus verloren. Große Bombentrichter waren in der Bahnhofshalle vor den Fahrkartenschaltern entstanden. Wir brauchten also eine neue Bleibe. Unsere erste Unterkunft war also die Baracke in der Bahnhofstraße 17 für die nächste Zeit. Später zogen wir dann in das „Deutsche Haus“, in dem wir viele Jahre nach dem Krieg wohnten.
Die Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 war also auch ganz hautnah in Radeberg zu spüren gewesen.