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Die Dorfinsel auf dem Berg

Die Hutbergsiedlung wird 50 – und ist bei jungen Familien und alten Leuten beliebt. Dennoch bleiben viele Wohnungen leer.

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Von Anja Beutler

Sandra Rößler stutzt ein bisschen bei der Frage, warum sie auf dem Hutberg wohne. „Weil es hier schön ist, und weil ich hier aufgewachsen bin“, sagt die 37-Jährige verblüfft. Auch ihr Partner Sven Straßner sieht das so: „Ich bin sogar von München wieder hierher zurückgekommen“, sagt er. Ideal ist für die jungen Leute, die bislang keine gemeinsame Wohnung auf dem Hutberg haben, vor allem die Nähe zu Kita und Schule. Zwar ist Frau Rößlers Sohn erst ein knappes Jahr, aber alles an Ort und Stelle zu haben, weiß sie zu schätzen. Und die Ruhe und das viele Grün natürlich auch! Und den Garten von Sven Straßner nicht zu vergessen...

Ein oder zwei Stöcke: Die sogenannten Kohleersatzbauten hatten ein Stockwerk, die Häuser der LPG zwei.
Ein oder zwei Stöcke: Die sogenannten Kohleersatzbauten hatten ein Stockwerk, die Häuser der LPG zwei.
Grüne Lunge: Die Kleingartenanlage „Am Hutberg“ gehört zur Siedlung: Siegfried Jaster gärtnert hier seit 1965.
Grüne Lunge: Die Kleingartenanlage „Am Hutberg“ gehört zur Siedlung: Siegfried Jaster gärtnert hier seit 1965.

Der Hutberg ist ein Dorf im Dorf – allerdings nicht vom Rest abgeschnitten. Verschont vom Krach der Hauptstraße und vom Hochwasser der Pließnitz haben viele Bewohner der insgesamt 256 Eigentumswohnungen ihre Siedlung schätzen gelernt. Ein Teil der Häuser ist als sogenannte Kohleersatzwohnungen für die Berzdorfer und Neuberzdorfer entstanden. Der andere Teil – der zwei Stockwerke statt einem hat – ist von der LPG gebaut worden, weil damals dringend Arbeiter gebraucht wurden. Neubauwohnungen waren da ein probates Lockmittel.

Elfriede Wehle ist in eine Kohleersatzwohnung gezogen. Als Erste in der ganzen Siedlung richtete sie sich mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern ein. Sie und ihr Sohn Joachim wohnen noch immer auf dem Hutberg – allerdings nicht mehr in der ersten Wohnung: „Wir sind damals in die Nummer zwei gezogen, in eine Wohnung mit zwei Kinderzimmern“, erinnert sich die 85-Jährige heute.

Das war zur damaligen Zeit ein kleines Stück Luxus und eine Riesenumstellung zugleich: Als 1960 wegen der Kohlegrube Erdreich ins Rutschen kam, rückte der Tagebau plötzlich bis auf 300 Meter an den Bauernhof der Familie in Schönau heran. „Wir mussten binnen vier Tagen raus“, erinnert sich Sohn Joachim Wehle. Die 150 Kaninchen, die Ziege, die Hühner, Hund und Katze musste Familie Wehle von jetzt auf gleich aufgeben und zog vorübergehend in eine Villa in Berzdorf. Als dann die ersten Häuser fertig waren, ging es zum Hutberg – 1963 seien sie eingezogen. „Das war alles eine Baustelle, jahrelang“, erinnern sich die Wehles. Selbst die Zufahrt auf den Hügel war damals nur geschottert – wer im Winter eingezogen ist, brauchte schon die Hilfe einer Kettenraupe, um hinauf zu kommen.

Los war auf dem Hutberg aber immer etwas: Der Kulturbund, die Schule, sie alle luden zu Veranstaltungen und Festen. Aber die Siedlungsbewohner trafen sich genauso unten im Dorf: „Damals gab es ja noch zwei Gaststätten, zwei Fleischer und Bäcker“, erinnert sich Joachim Wehle. Auf dem Hutberg gab es das nie – aber es gab einen HO-Einkaufsladen und eine Zeit lang auch einen Zahnarzt, daran erinnern sich viele alteingesessene Einwohner.

Den Einkaufsladen gibt es immer noch. Wobei die Betonung auf noch liegt, da die derzeitigen Betreiber im April 2014 ihren verdienten Ruhestand antreten. „Für diejenigen, die nicht so mobil sind, ist der Laden aber wichtig“, sagt Gerda Richter. Auch sie wohnt seit 45 Jahren in der Siedlung und pflückte gestern vor dem Haus von einem riesigen Strauch ganze Dolden mit Aroniabeeren: „Da mach ich Schnaps und Marmelade draus.“. Der Strauch sei damals zur Begrünung gepflanzt worden. Dass man die Beeren essen und verarbeiten kann, habe man erst gar nicht gewusst, jetzt treffen sich die Damen aus der Umgebung regelmäßig zum Beerenpflücken am Strauch.

Kristina Forker gehört zu diesem Kränzchen nicht dazu. Sie und ihr Mann sind Neu-Hutberger. Vor zwei Jahren seien sie aus Hirschfelde hierher gezogen, zur Tochter, die schon lange auf dem Hutberg wohnt. Frau Forker ist froh über ihre neue Heimat. Jetzt, als Rentnerin, teilt sie sich ihre freie Zeit mit Enkeldienst und Hausarbeit. Sie liebt ihren Balkon und schätzt die nette Nachbarschaft. Neue Mieter wie sie könnte freilich nach all den Jahren auch die Hutbergsiedlung vertragen – vor allem junge Familien fänden hier gute Bedingungen. Doch es gibt ein Problem: „Größere Wohnungen sind Mangelware“, sagt Schönau-Berzdorfs Bürgermeister Christian Hänel (parteilos). Ein- und Zweiraumwohnungen hingegen stehen leer. Hänel weiß das, weil auch der Gemeinde einige Wohnungen gehören, die sie vermietet. Und um mehr Familien auf den Hutberg zu locken, lässt die Gemeinde jetzt – quasi in einem Modellversuch – zwei kleine zu einer größeren Wohnung zusammenlegen.

Gefeiert wird das Jubiläum ab Freitag, den 30. August bis Sonntagvormittag mit Wettkämpfen und Vorführungen.