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Dresdner Forschung druckt nun Atemmasken

Die Industrieforschung Sachsens läuft vor allem bei Fraunhofer. Doch wie kommen diese Institute aus der Corona-Krise wieder raus?

Von Jana Mundus & Stephan Schön
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Europaweit helfen Forscher bei der Produktion von Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten. Auch in Dresden.
Europaweit helfen Forscher bei der Produktion von Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten. Auch in Dresden. © dpa/Kay Nietfeld

Normalerweise kommen Raketentriebwerke aus den großen 3-D-Druckern. Jetzt entsteht darin Schicht für Schicht etwas vollkommen anderes. Kleiner, aber lebensrettend: dringend benötigte Teile von Atemmasken und Bauteile für Beatmungsgeräte. Sie sollen Kliniken bei der Behandlung von Patienten mit Covid-19 helfen. Am Dresdner Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS hat jetzt die besondere Produktion als Kleinserie dafür begonnen. Die Forscher wollen damit in der Krise ein Zeichen setzen.

Vor einigen Tagen veröffentlichte die EU-Kommission einen Aufruf. Forschungseinrichtungen und ihre Partner, die über 3-D-Drucker verfügen, sollten sich melden und in die Herstellung von Bauteilen für Beatmungsgeräte einsteigen. „Wir haben es gelesen und uns nach kurzer Beratung entschieden, ebenfalls zu helfen“, sagt Christoph Leyens, Leiter des IWS und derzeit Sprecher aller sächsischen Fraunhofer-Institute. Fast zeitgleich fragte auch Dresden-Concept an, ein Zusammenschluss Dresdner Forschungs- und Kultureinrichtungen. „In diesem Verbund verfügen wir insgesamt über mehr als 50 Drucker, die diese Aufgaben übernehmen können“, erklärt Leyens, der auch Professor an der TU Dresden ist. IWS-Mitarbeiter Lukas Stepien hat die Koordination des nicht alltäglichen Druckprojekts übernommen. Mit dabei sind unter anderem die Professur für Technisches Design der TU Dresden oder auch der Makerspace der Slub.

Die Hilfe der Dresdner Einrichtungen und vieler anderer Unterstützer, die derzeit ähnliches tun, ist notwendig. Durch die weltweite Verbreitung des Coronavirus sind Lieferketten unterbrochen. Dadurch fehlen Teile für die Produktion von Beatmungsgeräten. Sie sollen nun europaweit von Forschungseinrichtungen hergestellt werden. Frei zugängliche Dokumente, wie zum Beispiel für den 3-D-Druck von Atemmasken, wurden dafür entwickelt, online bereitgestellt und dienen nun als Grundlage für die Bauteilproduktion.

Einige Tage lang testete das IWS mit seinen Partnern das Druckverfahren für die zu fertigenden Produkte. Nun ging es richtig los. „Je nachdem, was wir drucken, ob Maske oder Bauteil, brauchen wir für einen Vorgang 30 bis 150 Minuten“, erklärt Christoph Leyens. Zwischen 100 und 300 Masken oder Maskenteile könnten so pro Tag entstehen. Doch er macht deutlich: Das ist nur eine Übergangslösung. „Wir springen ein, bis die Industrie mit unserer Hilfe Möglichkeiten gefunden hat, aus eigener Kraft die dringend notwendigen Bauteile bereitzustellen.“Bisher produziert das IWS auf eigene Kosten. Womöglich wird aber die Europäische Union nachträglich Gelder für den 3-D-Druck zur Verfügung stellen. „Das war für uns erst einmal zweitrangig“, sagt der Institutsleiter. „Wir wollten jetzt helfen und nicht erst auf das Geld warten.“

Nur ein paar Großgeräte stehen still

Dabei ist die finanzielle Situation durch die Auswirkungen der Corona-Krise am IWS schon jetzt zu spüren. Im Gegensatz zu anderen Forschungseinrichtungen erhalten Fraunhofer-Institute lediglich eine Grundfinanzierung zwischen 25 und 30 Prozent. Alle anderen Mittel, unter anderem das Projektgeld für rund 60 Prozent des Personals, muss das IWS selbst durch das Einwerben von Geldern aus der Industrie oder durch Projektförderungen finanzieren. Etwas über 100 Mitarbeiter des IWS arbeiten derzeit noch in den Büros und Laboren am Fraunhofer-Standort an der Dresdner Winterbergstraße. Der Rest der gut 450 Mitarbeiter ist im Homeoffice.

Momentan gehe es vor allem darum, die aktuellen Aufträge fristgerecht abzuarbeiten, betont Leyens. „Die meisten Geräte in den Laboren können von einem oder zwei Kollegen bedient werden und sind somit im Einsatz“, erklärt er. Lediglich einige Großgeräte, wie eine Anlage zum Laserschweißen, kann aufgrund der fehlenden Mitarbeiter derzeit nicht in Betrieb gehen. Das alles bedeutet finanzielle Einbußen für das IWS. „Können wir nach dem 20. April wieder in den Normalbetrieb wechseln, rechnen wir bis zum Jahresende mit Einbußen von zehn bis fünfzehn Prozent bei den Industriedrittmitteln.

Bleiben die Beschränkungen bis Ende Mai bestehen, wären es schon bis zu 25 Prozent. Bei einer Dauer bis in den Juli sogar 35 Prozent.“ Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass der Wirtschaft wichtige Forschungsergebnisse fehlen werden. Die wirklich harten Zeiten dürften allerdings erst danach anbrechen, prophezeit der Institutsleiter. „Ich glaube, dass weniger neue Aufträge hereinkommen werden, weil die Unternehmen selbst erst einmal sehen müssen, wie die Zukunft für sie weitergeht.“

Bei öffentlichen Projekten könnte sich der Schaden womöglich in Grenzen halten. Selbst wenn Förderungen erst später zur Verfügung stehen sollten, rechnet Leyens lediglich mit bis zu 15 Prozent Ertragsrückgang bis zum Jahresende in diesem Bereich. Was helfen könnte? „Dass insbesondere der Mittelstand eine finanzielle Unterstützung bekommt, um mit Hilfe der Forschungsinstitute Innovationen vorzubereiten – als Sofortmaßnahme und für die Zeit nach der Krise.“ Dann hätte das IWS, dann hätten die Fraunhofer-Institute Chancen, gemeinsam mit den Unternehmen aus der Krise zu kommen.

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