Von Daniela Pfeiffer
Die Eier haben den weitesten Weg. Sie kommen über Zinnwald nach Filipov (Philippsdorf). Ein Umweg über viele Kilometer, wo es von Neugersdorf aus doch eigentlich nur wenige hundert Meter sind bis zur kleinen Knödelfabrik von Arndt Waldstein. Aber seit es an der tschechischen Grenze keinen Grenztierarzt mehr gibt, der den Eiern den notwendigen Unbedenklichkeitsstempel aufdrückt, geht es nicht anders. Der nächste Tierarzt sitzt erst in Zinnwald.
Im Juli 1992 hatte der Wirt der „Friedenseiche“ in Walddorf seine hauseigene Knödelherstellung ins Tschechische verlagert. Fünf Papiere muss Waldstein mittlerweile vorzeigen, wenn er Waren aus der Knödelfabrik nach Deutschland holen will. „Und für mich gilt eigentlich schon ein vereinfachtes Zollverfahren“, betont Waldstein. „In den ersten zwei Jahren war das viel lockerer, da brauchte ich nur zwei Papiere. Dann hat die tschechische Seite umfangreiche Auflagen erteilt.“ Es sei schon unverhältnismäßig aufwendig, als Deutscher böhmische Knödel in Böhmen zu produzieren.
Dazu bewogen hat ihn der finanzielle Vorteil. Die Löhne in Tschechien sind niedriger. Drei Angestellte arbeiten in der Knödelfabrik. Einschließlich benachbartem Hotel und Restaurant „Waldstein“, das dazugehört, sind es elf. „Wenn durch den EU-Beitritt über Nacht die Löhne der Tschechen an unsere angepasst würden, könnte ich die Knödelfabrik sofort zumachen“, sagt Waldstein. „Aber das wird so schnell nicht passieren.“ Im Laufe der Jahre sind die Nebenkosten und vor allem die Energiepreise in Tschechien so weit gestiegen, dass der Gewinn aus den Knödeln immer kleiner wurde. „Wenn ich jetzt noch die Löhne erhöhen müsste, hätte ich keinen Gewinn mehr.“ Die Preise für die Knödel will Waldstein nicht erhöhen.
Den meisten Grenz- und Zollbeamten ist Arndt Waldstein inzwischen persönlich bekannt. Er grüßt sie mit „Dobry den“. Drei Jahre lang hatte Waldstein sogar eine Ausnahmegenehmigung. Mit seinem Auto durfte er den Lkw-Übergang am Bismarckturm benutzen. Das ist auch schon längst vorbei.
In fließendem Tschechisch begrüßt Arndt Waldstein in Filipov seinen Geschäftsführer Friedrich Kubalek und die Mitarbeiter der Fabrik. „Die Sprache sollte ein Unternehmer schon können, wenn er hier investieren will“, sagt der 53-jährige Arndt Waldstein. Schließlich seien ja auch mal persönliche Gespräche zu führen, zum Beispiel mit dem Bürgermeister.
Die frischen Knödel werden täglich aus Filipov abgeholt. Ausgeliefert werden sie nur innerhalb Deutschlands. „In Böhmen gibt es schon genug Knödelhersteller, der Markt dort ist übervoll“, begründet Waldstein.Geschäftlich wird sich in einem Jahr wohl nichts ändern, vermutet Waldstein. Vielleicht wird die Reparatur der deutschen Maschinen leichter. „Wenn mal was kaputt- geht, hat man hier ein Problem.“ Die Tschechen können das nicht reparieren und deutsche Firmen können nicht einfach so herkommen.
Überhaupt wünscht sich Waldstein mehr Möglichkeiten der Grenzüberschreitung, vor allem für Fußgänger. „Meine deutschen Gäste im ‚Waldstein‘ müssen abends spätestens um acht das Lokal verlassen, weil dann der Übergang zumacht. Das war früher anders.“
Außerdem hofft der Walddorfer immer noch auf den Fußgängerübergang in Neugersdorf, der bislang nur zweimal jährlich für die Wallfahrt geöffnet wird. „1992 hieß es noch, der wird auch für Autos geöffnet, nur deshalb habe ich das Hotel und die Fabrik überhaupt an diesem Standort gebaut“, sagt Waldstein. „Damals vertrösteten mich die Neugersdorfer Stadträte auf zwei, drei Jahre. Jetzt haben wir 2003 und sind immer noch sehr umständlich zu erreichen.“
Zumindest für die Eier gilt das bald nicht mehr. Noch braucht Waldstein für die Eier-Einfuhr nach Tschechien zwar eine Genehmigung von der Obersten Veterinärbehörde in Prag. Einmal im Jahr muss sie erneuert werden. Das wird mit dem EU-Beitritt Tschechiens aber endlich vorbei sein. Auch der Stempel vom Grenztierarzt hat sich dann erledigt.