Von Juliane Richter
Laufzeiten und Siege kann Artur Schmidt quasi im Schlaf aufsagen. Die Gewinner des Dresdner Morgenpost-Marathons der vergangenen Jahre hat er im Kopf – noch dazu aller Altersklassen. Vorbereitung ist für ihn alles, damit sein Marathon-Einsatz zum Erfolg wird. Seit 2001 moderiert der Hesse die Veranstaltung, an der am gestrigen Sonntag rund 8 000 Läufer teilgenommen haben.
Mit roter Windjacke, schwarzen Jogginghosen und neongrünen Turnschuhen steht der 70-Jährige gut 50 Meter vor dem Zieleinlauf. Das Mikrofon hält er fest in seiner rechten Hand. Die Linke braucht er, um gelegentlich mit einem Läufer abzuklatschen. „Bei mir zählen nicht nur die Gewinner. Jedem will ich das Gefühl geben, dass er etwas Besonderes geschafft hat“, sagt er. Deshalb sieht er immer wieder auf das Tablet, das vor ihm auf einem Stehtisch liegt. Es zeigt an, welche Teilnehmer gerade aufs Ziel zugerannt kommen. Der Chip, den sie bei sich tragen, übermittelt die Daten, während sie eine ausgelegte Matte überqueren.
„Ja und da kommt der Joseph. Wo ist denn der Sepp? Bist du aus der Schweiz?“, ruft er einem drahtigen Mittfünfziger entgegen. Joseph freut sich sichtlich über die Aufmerksamkeit und ruft: „Nein, aus Österreich“. Moderator Artur Schmidt lacht, die Zuschauermenge am Maritim-Hotel klatscht und Joseph-Sepp nimmt beschwingt die letzten Meter bis ins Ziel.
Um die Leute bei Laune zu halten, dröhnen immer wieder altbekannte Hits wie „Highway to hell“ oder „Sweet Caroline“ aus den Lautsprechern. Und ab und zu ein Witzchen kann auch nicht schaden. Einen Läufer mit langen Haaren spricht Schmidt mehr oder weniger versehentlich als Frau an, entschuldigt sich aber postwendend. „Auch bei Tattoos oder dem Körpergewicht muss man vorsichtig sein. Meine Kommentare finden dann nicht alle witzig.“ Wenn aber ein Teilnehmer, der geschätzt an die 100 Kilogramm auf die Waage bringt, auf ihn zuläuft, müsse er das einfach würdigen. „Für den ist so ein Halbmarathon doch viel schwieriger als für einen 50-Kilo-Mann“, sagt Schmidt.
Durch jahrzehntelange Moderationserfahrung weiß er, was geht und was nicht. Pro Jahr ist er auf 30 bis 40 Veranstaltungen, manchmal zwei an einem Wochenende. Schmidt war früher aktiver Dreispringer. Später hat er einen Ausgleich zu seiner Arbeit als Chef einer Justizvollzugsanstalt gesucht und sie in der Sportmoderation gefunden. Damit die Stimme bei den mehrstündigen Einsätzen hält, trinkt er heiße Milch mit Honig. Am wichtigsten ist ihm aber, dass seine Frau Anne mit dabei ist. Dreimal habe sie in all den Jahren gefehlt – und jedes Mal sei etwas schiefgegangen. Mal hatte er einen Unfall, mal die Autoschlüssel im Wagen vergessen.
Doch an diesem Wochenende ist Anne Schmidt mit angereist. Zwar zwickt der Rücken ihres Mannes, eine Tablette hat jedoch geholfen. Zuverlässigkeit ist dem Hessen wichtig. Außerdem kommt er gern nach Dresden, weil sich der Marathon hier gut entwickelt hat. „Die Zahl der reinen Marathon-Teilnehmer hat sich seit den Anfangsjahren quasi verdoppelt. Das ist schon ungewöhnlich.“ In den neuen Bundesländern sieht er Dresden deutlich vor vergleichbaren Läufen wie in Leipzig, Magdeburg oder Halle. Außerdem sei der abwechslungsreiche Lauf, gekrönt mit dem Blick auf die Silhouette, einfach wunderbar. Gerade Freizeitläufer würden bei so einem Marathon durchaus links und rechts der Strecke schauen und sich am Anblick erfreuen. Dass es gestern eher trüb in Dresden war, hat keinen gestört. Die Teilnehmer strahlen, wenn auch erschöpft, als sie Artur Schmidt passieren. Und der redet weiter. Bis der Letzte im Ziel ist.