Von Peter Redlich
Radebeul. Grabungsleiter Matthias Conrad hält eine Streichholzschachtel große Scherbe in der Hand. Sie ist gerundet und hat einen Absatz. Für den Archäologen, der mit seiner Mannschaft nahe der neuen Ontras-Erdgastrasse am elbnahen Westrand von Radebeul gräbt, ist das ein klares Zeichen für eine Trankopferschale. Am Boden einer Grube hat der Suchtrupp die Scherbe gefunden. Mit solchen Schalen, gefüllt mit Milch oder Alkohol, die in Vorratsgruben gekippt wurden, sollte eine gute Ernte beschworen werden.
Um die 1000 Jahre vor Christus muss das gewesen sein. Spätbronzezeit nennen die Wissenschaftler diese Epoche. Auch weil bereits Metall im Alltagsleben der Siedler eine Rolle spielte. Solches Metall als Schmuckring fanden die Archäologen am Schädel einer Frauenleiche, die allerdings etwa 1 000 Jahre jünger ist als die ältesten Siedlungsreste in dieser Gegend. „Solcher Schmuck war typisch für Frauen aus der Zeit 1000 nach Christus“, sagt Matthias Conrad. Mitsamt den Beinknochen aus dem Grab, war das die Sensation im etwa 100 Meter langen Grabungsfeld.
An insgesamt 150 Stellen haben die Experten mit kleinen Fähnchen Stellen markiert, an denen etwas gefunden oder vermutet wurde. Kathrin Laube legt mit einer Kelle Schicht für Schicht in einer der Gruben frei. An manchen Stellen ist die sandige Erde dunkler. Dann hält sie inne. „Wenn Hüttenlehm auftaucht, können das Reste einer Behausung sein“, sagt sie.
Die Siedler der Bronzezeit ließen sich bewusst an Stellen nahe von Flüssen oder Seen nieder, die nicht vom Hochwasser betroffen waren. Genau diese Erhebungen gibt es hier zwischen der neuen Elbtalstraße und dem direkten Elbufer. Die Überschwemmungskarte von 2002 zeigt deutlich diese Hügel, die das Wasser der Elbe verschont – offenbar auch schon vor 2000 und mehr Jahren. Und die Häuser, die die Siedler hier damals errichteten, hatten zwischen starken Balken und Pfosten Flechtwerk, welches mit Lehm verfüllt wurde. Solche Lehmreste in unterschiedlichen Farbschattierungen – zum Beispiel dunkel nach Hausbränden – zeugen von Besiedlungen in der wasserreichen Gegend.
Allerdings, so der Grabungsleiter, haben wir diesmal relativ wenig von solchen Hausresten gefunden. 2007, etwas weiter nördlicher – dort, wo jetzt die Elbtalstraße ist –, waren es mehr Funde. Sogar eine Bronzesichel ist damals entdeckt worden.
Fakt ist in jedem Fall: Hier gab es eine oder mehrere Siedlungen. Die Gruben, in die zuerst Getreide und später Abfall gefüllt wurden, zeigen das deutlich an.
Über 100 Gruben mit größtenteils Scherbenfunden – sind es dann genauso viele Häuser gewesen? Matthias Conrad ist sich unschlüssig. Das Bild über die Siedlung ist noch lange nicht dicht genug. An jedem der Funde hängt ein kleines Schild. „KD 14 und 141“ steht auf einem der Schildchen. Kötzschenbroda, 14. archäologische Maßnahme und Grubennummer 141 heißt das. Dazu gibt es eine Zeichnung, wo genau im Gelände diese Grube war. Viele solcher Grabungsbefunde ergeben Erkenntnisse zu Siedlungsetappen und letztlich ein Bild, wie die Menschen hier lebten. Und in einem Monat wollen die Archäologen noch einmal kommen und etwas nördlicher des jetzigen Grabungsfeldes erneut in der Erde suchen. Fest steht aber schon heute: Die ersten Radebeuler haben hier Ackerbau und Viehzucht betrieben.