Von Peter Anderson
Beate Mikoleit (51) hat alles fertig im Kopf. Hier wird nach Entwürfen eines Berliner Designers der Esstisch stehen, dort der Kamin, die Treppe hinunter geht es ins exklusive Bad. Mit wenigen Handbewegungen skizziert die Dresdner Architektin eine komplette Wohnung in den leeren Raum im Erdgeschoss der von ihr entworfenen Wohnvilla im noblen Dresdner Stadtteil Blasewitz. Im Laufe des Jahres soll hier – zwischen den grau verputzten Wänden – der erste deutsche Schauraum der Manufaktur Meissen entstehen. Ein Meisterstück, mit dem das Unternehmen unter dem Namen Meissen Home zeigen will, dass es nicht nur Geschirr-Vitrinen sondern ganze Häuser füllen kann. „Wir gehen vom Tisch in den Raum“, umschreibt der Vorsitzende der Geschäftsführung Christian Kurtzke seine Strategie. Zum Porzellan sollen sich unter dem Zeichen der Blauen Schwerter Möbel, Stoffe, Lampen gesellen – kurz gesagt: das ganze Repertoire eines gehobenen Einrichtungshauses.
Unumstritten ist der Expansionskurs nicht: Kritiker bezweifeln, dass der Umbau der Porzellan-Manufaktur zu einem Ikea für Reiche aus dem schmalen Budget des Unternehmens bezahlbar ist und Arbeitsplätze in Meißen schafft. Hinzu kommt, dass es ein Staatsbetrieb ist, der in einen führenden Luxuskonzern umgemodelt werden soll.
Am plastischsten werden Kurtzkes Visionen bislang im Bad. In diesem Bereich ist die Kompetenz der Porzellan-Manufaktur am sinnfälligsten. Beate Mikoleit tippt auf einen Bildschirm. Dort taucht die dreidimensionale Animation des künftigen Bades auf. Links sind die Badewanne und in der Mitte die beiden Waschbecken in feine Meissener Wandverkleidung eingefasst. Die Glastür zur Erlebnisdusche mit wechselnden Farbspielen und dem Dampfbad ziert der bekannte Ming-Drache. Hinter den Fenstern im Garten sollen zwei beleuchtete Böttger-Figuren die Blicke fangen.
„Die Manufaktur verfügt über eine gigantische Auswahl an Dekoren und Formen. Die können wir überall im Raum auftauchen lassen“, sagte Beate Mikoleit. Auf der Glastür, genau so wie auf der Badewanne oder den Zahnputzbechern.
Wöchentlich fährt die Dresdner Unternehmerin mittlerweile ins Triebischtal, um vor Ort auszuloten, wie sich die Kompetenzen der Manufaktur in den Blasewitzer Schauräumen am besten zur Geltung bringen lassen. „Wir sind am Anfang“, sagt Beate Mikoleit. In den vergangenen Monaten habe sie ein Gefühl dafür entwickelt, was mit Porzellan alles möglich ist, wie es sich abhebt von den sonst in einem Bad verwendeten Materialen. Die Oberfläche fühle sich ganz anders an. Das sei auch mit edlen italienischen Fliesen nicht zu vergleichen. Die Meissener Wandverkleidung soll mit einer außergewöhnlichen Vielfalt an Formaten und modernen Farben angeboten werden. Die Fugen werden besonders schmal, kaum sichtbar ausfallen. Um solche fragilen Platten ohne Risse und Sprünge zu montieren, bedarf es einer besonderen handwerklichen Meisterschaft und Erfahrung. Die verkörpert Fliesenlegermeister und Geschäftsführer von Stonewater Gert Küntzelmann. Mit ihm zusammen hat Beate Mikoleit vor zehn Jahren den Badausstatter Stonewater gegründet – eine von rund einer Hand voll Firmen, denen die Dresdner Architektin mittlerweile als Geschäftsführerin vorsteht. Stonewater entwirft und setzt Bäder um, die mehr sind als Räume für drei Sekunden Gesichtwaschen am Morgen. Das Unternehmen lässt Wohlfühl-Oasen entstehen, aus denen man gar nicht mehr heraus möchte in die kalte und raue Welt vor der Tür.
Aktuell baut Stonewater Wellnesszimmer in ein Hotel im Spreewald ein. Zu weiteren Projekten gehören Bäder- und Wellnesslandschaften für mehrere hundert Quadratmeter große Wohnungen an der Bautzener Straße in Dresden sowie in Hohen Neuendorf bei Berlin. Werbung für seine Dienste braucht das Unternehmen eigenen Angaben zufolge nicht zu machen. „Wir sind ein Geheimtipp“, sagte Beate Mikoleit. Qualität empfiehlt sich von selbst. Das schlägt eine Brücke nach Meissen. Oberstes Ziel sei es, dass die Kunden zufrieden sind, so die 51-Jährige. Das erfordere engsten Kontakt mit den Auftraggebern. Immer wieder muss sich abgestimmt werden. Mitunter kommt ein Projekt dadurch an die Grenze der Wirtschaftlichkeit.
Neben der Perfektion hat Stonewater die Ökologie fest im Blick: Im brandenburgischen Kurort Bad Saarow am Scharmützelsee findet sich ein von Beate Mikoleit entworfenes Haus, das seine Energie komplett über Solar- und Windkraftanlagen auf dem Dach sowie eine Wärmepumpe im Keller deckt. Damit entfällt das schlechte Gewissen, wenn der Hausbesitzer statt fünf Minuten plötzlich 20 Minuten in der Erlebnisdusche verbringt.
Die erstklassigen Referenzen von Stonewater, seiner Architektin und seinen Handwerkern dürften es gewesen sein, die Manufaktur-Chef Christian Kurtzke zu einer Kooperation veranlasst haben. Der Kontakt entstand bei einer Präsentation, zu der die Manufaktur Architekten und Ausstatter eingeladen hatte. Meissen-Chef Christian Kurtzke suchte nach Partnern, die seine Vision umsetzen helfen. Aus dem Kennenlernen entstand eine Partnerschaft auf Augenhöhe. „Wir werden das Haus gemeinsam betreiben“, sagt Beate Mikoleit. „Stein und Wasser haben wir bereits zusammengebracht. Jetzt kommt Porzellan hinzu.“