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Die Görlitzer Höhepunkte

Heute in der SZ-Sommerserie: Mit 84 Metern ist die Peterskirche das höchste Gebäude der Stadt. Beinahe hätte sie diesen Titel vor 30 Jahren verloren.

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Von Ingo Kramer

Dass er der Hausherr des höchsten Gebäudes von Görlitz sein soll, hört Pfarrer Hans-Wilhelm Pietz überhaupt nicht gern. Nein, sagt er, er sei nur der Vertreter des Hausherrn auf Erden. Diese Aufgabe, die er vor einem Jahr übernommen hat, macht ihn allerdings sehr froh. Die Peterskirche im Herzen der Altstadt erlebt er als eine sehr lebendige Kirche, in der weit mehr stattfindet als der Gottesdienst jeden Sonntag um zehn: „Hier gibt es auch einen Krabbelgottesdienst für die ganz Kleinen, einen Kindergottesdienst für die Größeren, und außerdem ist es eine beliebte Traukirche.“ Nicht zu vergessen die berühmte Sonnenorgel, die regelmäßig erklingt.

Dass die von 1425 bis 1497 errichtete Pfarrkirche St. Peter und Paul mit 84 Metern das höchste Gebäude in Görlitz ist, verwundert Pietz nicht: „Die Türme sind zwischen 1889 und 1891 extra so gebaut worden, damit die Stadt schon von Weitem als die Stadt Görlitz erkennbar ist.“ Diese Dominanz sei gewollt und verfehle ihre Wirkung bis heute nicht: „In Veröffentlichungen über Görlitz fehlt die Peterskirche nie.“

Dabei hätte sie ihren Superlativ vor 30 Jahren beinahe verloren: 1983 wurde der Schornstein für das zentrale Heizwerk von VEB Wäscherei, Färberei und Chemische Reinigung sowie VEB Feuerlöschgerätewerk Görlitz an der Brückenstraße errichtet. Er ist 80 Meter hoch und damit nur vier Meter „kleiner“ als die beiden Türme der Peterskirche. Wann genau der Schornstein stillgelegt wurde, vermag auch Hartmut Wilke vom Stadtplanungsamt nicht genau zu sagen. Ansonsten aber hat er einen guten Überblick über die höchsten Gebäude der Stadt. Die bergen einige Überraschungen: Die drei Wach- und Wehrtürme landen nur auf den Plätzen 8, 10 und 11, und sogar der Bahnhof schafft es mit seinen rund 38 Metern längst nicht in die Top Ten. Und das, obwohl die Windräder nicht als Gebäude anerkannt und somit nicht in die Rechnung aufgenommen wurden. Gewertet wurde auch nicht das höchstgelegene Gebäude (Burg auf der Landeskrone), sondern tatsächlich die reine Gebäudehöhe.

Für Hans-Wilhelm Pietz aber sind die Maße der in den Jahren bis 2003 sanierten Türme nicht das Wichtigste an der Peterskirche. Nach dort oben steige er ohnehin nur etwa viermal im Jahr – und selbst das nicht, um die Aussicht zu genießen, sondern um sich um das Geläut zu kümmern. „Wir können zurzeit leider nur eine große und eine kleine Glocke läuten“, sagt der Pfarrer, der 1994 aus Wittenberg an die Neiße kam. Der Klang sei sehr beeinträchtigt, weil es sich um eine Eisenguss- und eine Bronzeglocke handele, die ursprünglich nicht aufeinander abgestimmt sind.

Zwei Glocken mussten bereits außer Betrieb genommen werden. „Wenn wir eine jetzt außer Betrieb gesetzte Eisengussglocke reparieren wollen, brauchen wir bis zu 30 000 Euro“, erklärt er. Ein komplett saniertes und erneuertes Geläut mit fünf Glocken, so wie sie einmal in der Peterskirche Platz hatten, würde je nach Ausführung mindestens 250 000 bis 300 000 Euro kosten. Dazu hat die Gemeinde voriges Jahr eine Spendensammlung gestartet. „Je nachdem, wie hoch die Spendenbereitschaft ist, werden wir uns für die eine oder andere Glockenvariante entscheiden“, sagt Pietz.

Sein persönlicher Lieblingsort innerhalb der Peterskirche befindet sich weit unterhalb der Türme: Es ist die Kanzel. „Sie ist ein sehr markanter Ort in der Kirche“, sagt der Pfarrer. Er hat sein Büro gleich nebenan im frisch sanierten Martin-Moller-Haus. Direkt davor befindet sich das von der Stadt gepflegte Pfarrgärtchen. Auch so ein Lieblingsort: „An heißen Tagen habe ich hier schon den Konfirmandenunterricht abgehalten.“ Immer wieder kommt Pietz nicht nur auf die Konfirmanden, sondern auf alle Menschen zu sprechen, die die Kirche für ihn ausmachen: Auf die Görlitzer, die Touristen und darauf, dass es nicht immer leicht ist, es beiden recht zu machen. „Die Kirche soll unbedingt für alle da sein“, sagt Pietz. Er wolle die zwei Gruppen zusammenhalten und nicht gegeneinander ausspielen. So verwundert es auch nicht, dass er seine wichtigste Aufgabe als Vertreter des Hausherrn auch nicht im Geläut sieht, sondern in den Menschen: „Ich will ganz einladende Gottesdienste hier feiern.“

In der nächsten Folge unserer Serie lesen Sie am Montag: „Die tiefsten Orte von Görlitz“.