Von Britta Veltzke
In der Werkstatt des Kunstgießers herrscht ein Durcheinander aus Gussformen, dunkelbraunen Wachsmodellen und halbfertigen Skulpturen – dazwischen ein Reiter, der nach dem letzten Schliff golden glänzen wird. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. So auch der Reiter, der besteht aus Bronze. Spätestens am Samstag werden er und elf seiner Ebenbilder das Albertstädter Industriegebiet verlassen und das Rampenlicht auf der Bühne im Kleinen Haus reflektieren. Dann nehmen die Preisträger des Filmfests sie entgegen.
Ihr Schöpfer, Kunstgießer Thomas Ihle, wird sich freuen, wenn die Fotografen dann im richtigen Moment auf den Auslöser drücken. Dann nämlich, wenn die Reiter auch zu sehen sind. „Ist Ihnen mal aufgefallen, dass man von solchen Filmpreisen oft nur den Boden sieht?“ Und zwar, genau dann, wenn der Gekürte die Trophäe hochreißt und die Fotografenschar darunter steht. Deswegen hat der Goldene Reiter inzwischen eine Bodenplatte bekommen, „damit man wenigstens nicht in ein schwarzes Loch blickt“, so der Handwerker. Seit zehn Jahren setzt er den Entwurf des Bildhauers Uwe Hempel im Auftrag der Filmfestleitung um.
In Dresden arbeiteten einmal mehrere große Kunstgießereien. Diese Zeit ist vorbei. Während Bronze im 19. Jahrhundert das gängige Ausdrucksmittel war, nutzen Bildhauer inzwischen auch andere Materialien wie Plastik oder Zement. Dafür braucht es kein aufwendiges Verfahren und damit keine Werkstatt, wie die der Gießerei Ihle. „Nach der Wende sind viele Betriebe eingegangen“, sagt Thomas Ihle. Trotzdem gründete er in dieser „schweren Zeit“ mit seinem Bruder eine neue Gießerei in Pesterwitz. Es ist eben sein Handwerk – wenn auch ein aussterbendes, wie er sagt.
Schon als Kind hat er Freude daran, aus Steinen Skulpturen zu schlagen. Seine Kunstlehrerin beobachtet das. Ihr Mann ist Bildhauer und pflegt Kontakte zu der Kunstgießerei Pirner und Franz in Dresden. So kommt der 16-Jährige zu einer Lehrstelle – und zur Bronze. Ein Material, das Thomas Ihle auch 30 Jahre später noch fasziniert. „Das heiße Metall löst Adrenalin aus“, sagt er. Die Verarbeitung sei anspruchsvoll und benötige viel Einfühlungsvermögen. „Kalte Gusse“ aus Beton oder Kunststoff dagegen seien langweilig. „Das kann ja jeder auf dem Küchentisch selbst machen.“
In Pesterwitz läuft die Gießerei bis zu dem plötzlichen Tod seines jüngeren Bruders Frank. Dann, im Jahr 2008, muss sich Thomas Ihle überlegen, wie es weitergeht. Das eigene Geschäft aufgeben oder neu anfangen? Der heute 46-Jährige entscheidet sich für den Neuanfang. Da die Firma bislang ungünstig in einer Siedlung liegt, beschließt er, in einem Industriegebiet anzusiedeln, „wo wir auch mal Krach machen können, ohne die Anwohner zu stören“.
In der Albertstadt wird er fündig. „Die Entscheidung hat sich gelohnt“, sagt Thomas Ihle heute. Zu seinen Kunden zählen Unternehmen, die sich ihr Symbol in Bronze gießen lassen und öffentliche Auftraggeber. Seitdem er An der Schleife 11 eröffnet hat, profitiert er zudem von „der hohen Künstlerdichte“ in Dresden – und seinem treuen Auftraggeber: der Filmfestleitung.