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Die Invasoren sind unter uns

Riesenbärenklau und Sachalinknöterich haben sich festgesetzt. Die Pflanzen in Schach zu halten, kostet Mühe und Geld.

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© Katja Frohberg

Von Jörg Stock

Tharandter Wald. Der Waldarbeiter Udo Kühn kreuzt die Arme und lehnt sich gegen die Flanke des Geländewagens. Er mustert das Stück grüne Hölle vor uns. „So sieht es aus, wenn das Zeug machen kann, was es will“, sagt er. Das Zeug heißt Sachalinknöterich und will nur eins: wuchern. Drei Meter hoch sind die bambusartigen Stangen mit Blättern, so lang wie ein Unterarm. Das dichte Dach lässt nur Dämmerlicht an den Boden heran. Ein paar kümmerliche Brennnesseln wachsen dort. Eigentlich, sagt Herr Kühn, kommen nicht einmal die durch.

Forstbezirksassistentin Karolin Erxleben steht im Colmnitztal in einem Wald aus Sachalinknöterich.
Forstbezirksassistentin Karolin Erxleben steht im Colmnitztal in einem Wald aus Sachalinknöterich. © Andreas Weihs
Was auf den ersten Blick schön anzusehen ist wegen seiner rosa Blüten, ist in Wirklichkeit ein Plage. Das Springkraut vermehrt sich zusehensund wächst in übermenschliche Höhen.
Was auf den ersten Blick schön anzusehen ist wegen seiner rosa Blüten, ist in Wirklichkeit ein Plage. Das Springkraut vermehrt sich zusehensund wächst in übermenschliche Höhen. © Katja Frohberg

Fremde Pflanzen. Seit Kolumbus Amerika entdeckt hat, kommen sie verstärkt zu uns. In Deutschland haben sich bis heute mehrere Hundert gebietsfremde Arten, Neophyten genannt, etabliert. Bei den allermeisten lief die Einbürgerung glatt. Doch manche erweisen sich nun als Gefahr, für unsere Natur oder unsere Gesundheit. Unter dem Label „invasive Arten“ machen sie Schlagzeilen. In Sachsen werden rund dreißig Arten als invasiv bezeichnet. Ganz vorn mit dabei: Sachalin- und Japanknöterich.

Warum diese Pflanze ein Problem ist, sieht man im Tharandter Wald im Revier Naundorf, dem Revier von Udo Kühn. Hier hat sie ein Wiesenstück am Colmnitzbach völlig okkupiert. Weiden oder Schwarz-Erlen, die das Ufer von Natur aus besiedeln und stabil machen würden, können in diesen Dschungel nicht mehr eindringen.

Motorsense hilft Buchenbabys

Der Sachalinknöterich kam 1863 als Zierpflanze nach Europa. Bald darauf fand man verwilderte Bestände in Deutschland. Die Art bildet unterirdisch robuste Sprossachsen, die große Geländestücke in kurzer Zeit durchwuchern und aus denen immer neue Pflanzen sprießen. Udo Kühn hat den Knöterich schon als kleiner Junge im Tharandter Wald gesehen. Die riesigen Stauden fand er damals beeindruckend. Heute muss er sie mit der Motorsense niedermachen, damit seine Buchen eine Chance haben.

Das „Wegkonkurrieren“ ist das einzige Mittel, das gegen die Knöteriche nachhaltig hilft, sagt Sven Irrgang, amtierender Chef beim Forstbezirk Bärenfels. Man pflanzt Bäume, die irgendwann so groß sind, dass sie dem Knöterich das Licht wegnehmen. Das schaffen sie nicht von allein. Udo Kühn wird demnächst wieder den Freischneider anwerfen, um einen Buchenbestand an der Salzstraße von zudringlichen Knöterichen zu befreien. Vielleicht ist man in zwei Jahren aus dem Gröbsten raus. Der Dschungel am Colmnitzbach wird wohl vorerst bleiben. Um Randbereiche zu säubern, sagt Sven Irrgang, reicht die Kraft nicht aus.

Ortswechsel: Ein Wald zwischen Königstein und Struppen-Siedlung. Försterin Anke Findeisen bahnt sich ihren Weg durch das Kraut am Überlauf eines Rückhaltebeckens. Hier kommt Wasser von der Wismut-Halde im Schüsselgrund an. Und hier wächst einer der prominentesten Bio-Invasoren, der Riesenbärenklau.

Die großen, gefiederten Blätter fallen sofort ins Auge. Die Försterin berührt sie nur mit spitzen Fingern. Der Riesenbärenklau, im 19. Jahrhundert aus dem Kaukasus importiert, enthält phototoxische Stoffe. In Verbindung mit Sonnenlicht können sie eine sogenannte Wiesen-Dermatitis auslösen. Die Haut entzündet sich und wirft Blasen, als wäre sie verbrannt. Schlimmstenfalls führt die Begegnung mit dem Riesenbärenklau direkt ins Krankenhaus.

Im Forstbezirk Neustadt steht der Bärenklau unter strenger Aufsicht. Die Revierförster kennen seine Standorte. Jedes Jahr vor der Blüte werden die Pflanzen mit einem Schäleisen, einem scharfen Werkzeug, das sonst zum Entrinden von Baumstämmen dient, bis in den Wurzelbereich abgestochen. So ist es auch gelungen, das Vorkommen hier am Rückhaltebecken bis auf wenige Einzelpflanzen zu dezimieren. Am Anfang allerdings, als der Bärenklau an dieser Stelle massenhaft wuchs, hatte man Chemie einsetzten müssen, sagt Försterin Findeisen. „Es wäre sonst ein Kampf gegen Windmühlenflügel gewesen.“

Rückschlag an der Springkrautfront

Das Bundesamt für Naturschutz führt die Knöteriche und den Riesenbärenklau auf der Schwarzen Liste. Das heißt, diese Pflanzen bringen definitiv die biologische Vielfalt in Bedrängnis. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sind sie jedoch nur punktuell ein Problem. Anders ist es mit dem Drüsigen Springkraut. Ob in Wesenitz, Müglitz, Gottleuba oder Weißeritz – das Gewächs mit den purpurroten Blüten steht praktisch in jedem Wasserlauf. Die Landestalsperrenverwaltung Pirna rechnet mit etwa 100 000 Quadratmetern befallener Fläche allein in den großen Flüssen.

Das aus dem West-Himalaya stammende Drüsige Springkraut ist auf der Grauen Liste vermerkt. Dass es hiesige Arten gefährdet, wird lediglich angenommen. Die Talsperrenverwaltung hält das Kraut definitiv für schädlich. Es verdränge die natürliche Vegetation, die das Ufer standsicher mache, und enge durch seine schiere Masse die Flüsse ein. Zwischen 2007 und 2012 hatte die Behörde jedes Jahr Ein-Euro-Jobber an die Flüsse geschickt, das Kraut auszureißen und zu verbrennen. Doch das Projekt ist ausgelaufen. Zwar würden bei regulären Pflegearbeiten weiterhin Neophyten aussortiert und vernichtet, sagt eine Sprecherin. „Die flächendeckende Beseitigung ist aber nicht mehr möglich.“