SZ +
Merken

Die Kerze ist nicht erloschen

Zeithain. Mit neuemEigentümer und einemerweiterten Duftsortimentwill die Kerzenfabrikwieder den europäischen Markt erobern.

Teilen
Folgen

Von Kathrin Schade

In der Gerüchteküche brodelt es. Die einen sagen, dass der Zeithainer Kerzenfabrik bald das Licht ausgepustet wird. Die anderen behaupten, dass dies längst geschehen sei. „Alles Quatsch!“ kontert Rosemarie Böttcher. „Uns gibt es immer noch“, versichert die Technische Leiterin des kleinen Unternehmens auf dem Industriegebiet Glaubitz/Zeithain. Sie fügt jedoch schnell hinzu: „Wenn auch unter neuem Namen und mit neuem Eigentümer.“

Wegen Zahlungsunfähigkeit musste der ehemalige Schweizer Geschäftsführer im Mai vergangenen Jahres Insolvenz anmelden. „Klar, folgten daraufhin ungewisse Monate. Und alle Mitarbeiter bangten um ihren Arbeitsplatz“, verhehlt Rosemarie Böttcher nicht. Aber in der Produktion selbst sei davon nichts zu spüren gewesen. Es sei weiter am laufenden Band produziert worden. Denn es galt ja nach wie vor, sämtliche Aufträge qualitätsgerecht und termintreu zu erfüllen. „Uns war durchaus bewusst, dass es um sehr viel geht“, berichtet die Diplom-Chemikerin. Interessenten für das Zeithainer Unternehmen gab es mehrere. Die meisten davon waren sogar Kunden. Drei Monate später hatte der Insolvenzverwalter entschieden: Neue Eigentümer sind die Herren Dirk Schumacher und Hartmut Boock, Inhaber der deutschen Firma KCB-UMA (Kerzen, Candles, Bougies) in Frechen bei Köln. „Seit 15 Jahren produzieren wir bereits Kerzen in Polen“, sagt Hartmut Boock. „Doch die Zukunft dieser Branche liegt bei den Duftkerzen. Also in Zeithain, wo von Beginn an nicht nur Formen und Farben, sondern auch Düfte eine große Rolle spielen“, betont der Geschäftsmann. Ziel sei es, bis 2006 ein internationales Duftsortiment, abgestimmt auf den europäischen Markt, weiter zu entwickeln. „Mit dem Bestand der Maschinen und dem Wissen der hochmotivierten Mitarbeiter in Zeithain haben wir die besten Voraussetzungen, dieses Ziel zu erreichen“, blickt Hartmut Boock optimistisch in die Zukunft.

„Ich habe ein gutes Gefühl dabei“, gesteht Rosemarie Böttcher. Die ersten Monate der Zusammenarbeit mit den neuen Investoren seien gut angelaufen. „Sie müssen auf Ergebnisse schauen, vergessen dabei aber nicht die Belegschaft“, begründet sie. Moderne Büros, Duschen und Umkleideräume seien gebaut und auch der Werksverkaufsraum vergrößert worden. Die neueste Investition ist die automatische Beutelmaschine zum Verpacken von Teelichtern. Ruck, zuck sind damit 100er, 50er oder 25er Packungen gefüllt. „Das animiert natürlich alle 27 Mitarbeiter mit nach zu denken, wo im Produktionsprozess noch optimiert werden kann“, ist sich die Riesaerin sicher. Gemeinsam mit Grit Möbius, der kaufmännischen Leiterin, die seit der Gründung dieser Firma im April 1998 mitmischt, führt sie die Geschäfte in Zeithain. Rosemarie Böttcher selbst gehört seit November 1999 zum Team. Damals war das Labor ihr Reich. Heute koordiniert und kontrolliert die 47-Jährige den gesamten Produktionsbetrieb.

Bei einem Rundgang durch die 8 000 Quadratmeter große Halle ist deutlich ihr Stolz über jedes einzelne Produkt zu spüren. Und der Kerzenformen gibt es viele: runde, ovale, vier- und sechseckige, mit Rillen oder in Blumenform, gegossen und gepresst, ja sogar mit verschiedenen Köpfen. Abgefüllt in Gläser, als Teelichter, Stumpen-, Votiv-, Spitz- oder Tafelkerze, als „Mückenschreck“ oder Rauchverzehrer. Ganz zu schweigen von der riesigen Palette an Farben und Düften. „Wir arbeiten mit über 100 verschiedenen Düften“, verrät die Expertin. Gleiches betrifft die Farbnuancen. Hier gibt es sogar 200 verschiedene. Allerdings werden in Zeithain nur zirka 80 verwendet. Nicht zu vergessen die Dochte. Auch hier ist unvorstellbar, dass es rund 100 unterschiedliche Dochtsorten geben soll.

Derzeit rutschen etwa 12 000 Teelichter pro Stunde von der Presse über das Band zur Verpackungsmaschine. Und abgefüllte Kerzen im Glas scheppern zirka 1 300 stündlich über das Förderband. Kunden in Frankreich, Österreich und England warten darauf. Aber auch viele Großmärkte in Deutschland.

Vorbei ist es mit dem betörenden Duft aus einer Mischung von Pfirsich, Zitrone, Jasmin und Rose, sobald man die Produktionshalle verlässt. Denn draußen liegen im Moment ganz andere Düfte in der Luft, nämlich Güllegestank. Nur noch die großen Buchstaben KCB Candle & Scent GmbH an der Mauerwand lassen erahnen, was dahinter fleißig produziert wird.