Von Ingo Kramer
Ein bisschen ist es gestern wie beim Görlitzer Adventskalender. Draußen ist es kalt, doch eingehüllt in wärmende Kleider versammeln sich fast 100 Görlitzer und Gäste der Stadt am Abend an einem Ort, bei dem sie nicht so recht wissen, welche Überraschung sie gleich erleben werden.
Der Ort ist in diesem Falle der Kaisertrutz. Davor steht schon vor 18 Uhr die Fanfare Blasewitz. Die acht Musiker spielen derart fröhliche Musik, dass auch Passanten, die von der geplanten Aktion noch gar nichts wissen, stehen bleiben und neugierig beobachten, was denn wohl vor dem Museumsgebäude im Gange ist.
Die Tür öffnet sich schließlich um sechs und zum Vorschein kommt die „Goldene Kugel“. Die Kulturhauptstadt-Ranger Artur Pytel und Jerzy Hoffmann rollen den mannshohen und eher gelben als goldenen Schaumstoffball nach draußen. „Eigentlich war das ganz anders geplant“, verrät Museumsdirektor Jasper von Richthofen. Die Kugel sollte nämlich viel kleiner sein und von oben herunter gelassen werden. Den vielen Kindern unter den Besuchern ist das egal. Die Aufforderung von Stadtplaner und Mit-Organisator Friedemann Dreßler lassen sie sich nicht zweimal sagen: sie ergreifen Besitz von der Kugel und beginnen, sie in Richtung Annenschule zu rollen.
Kinder wollen am Ball sein
Bei mehr als einem Dutzend Kindern, die am liebsten alle gleichzeitig am Ball sein wollen, haben Artur Pytel und Jerzy Hoffmann alle Mühe, Herren des Geschehens zu bleiben. Die Kinder rollen die Kugel quer über den Marienplatz und vorbei am City Center bis zum hinteren Eingang der Post. Als dort das Kommando „Links!“ zu hören ist, nehmen sie die Aufforderung sehr ernst und schwenken aus der gerade noch angesteuerten Konsulstraße weg in Richtung Schützenstraße. Nun müssen die Ranger doch eingreifen und so rollt die Kugel zur Freude der Kinder die Konsulstraße hinauf bis zum früheren Skoda-Autohaus. Die Menschen folgen ihr und die Fanfare Blasewitz bildet musizierend den Abschluss.
Durch das Tor geht es flink in den Hof , der wohl schon lange nicht so viel Leben gesehen hat. Genau das ist das Ziel der Aktion: die Menschen mit kreativen Ideen in die Innenstadt zu locken. Umgesetzt wird die erste von insgesamt vier Ideen durch eine bunt zusammengewürfelte Truppe ganz unterschiedlicher Akteure. Mitarbeiter der Stadtverwaltung tragen ebenso zum Gelingen der Aktion bei wie der Aktionsring Handel, der Quartiersmanager, Studenten der Hochschule, Einzelhändler und Privatpersonen.
An insgesamt vier aufeinander folgenden Mittwochabenden wollen sie mit dem Stadtspiel „Besucht die Mitte!“ und ungewöhnlichen Aktionen überraschen. Los geht es immer um 18 Uhr am Kaisertrutz. Während sich die erste Aktion vor allem an Kinder wandte, stehen in den kommenden Wochen Überraschungen für Erwachsene auf dem Programm. Seinen Abschluss wird das Spiel um die „Goldene Kugel“ am 21. Juni in der Mittsommernacht finden. Dann wird es in die Fete de la musique eingebunden.
Puppentheater fasziniert
Als die Kugel gestern im ehemaligen Autohaus eingerollt war, hatten sie die Kinder ganz schnell vergessen. Viel faszinierender war das, was sich in der anderen Ecke des Gebäudes abspielte. Anna Fülle, Paulchen Günther und Axel Kunze von der „Kleinen Bühne Naumburg“ führten dort „Schneewittchen“ abwechselnd als Theater- und Puppentheaterstück auf. Und als es auf der improvisierten Bühne plötzlich auf die Königin herabschneite, war es wieder wie beim Görlitzer Adventskalender. Nur ein klein wenig wärmer vielleicht.